Eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE über die Ergebnisse des Treffens von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit US-Präsident Barack Obama. (33. Sitzung vom 08.05.2014)

 

Dr. Diether Dehm:

 

08.05.2014 – Diether Dehm

Vor Obama auf den Knien

Willy Brandt hat auf Knien die deutschen Interessen vertreten –  die gegenwärtige Bundeskanzlerin beugt sich bei Gesprächen in den USA

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe 1972 Plakate geklebt, auf denen stand: „Deutsche - Wir können wieder stolz sein auf unser Land!“. Wir Frankfurter Sozialdemokraten hatten eine Fotokopie mit dem vor dem Warschauer Mahnmal knienden Willy Brandt darüber geklebt. Da beugte sich ein deutscher Kanzler, turmhoch überlegen den Nationalisten und Rassisten und auch der CDU, die ihn damals verspotteten.

Ihre Verbeugungen in Washington, Frau Bundeskanzlerin, sind ganz anderer Art. Es war nicht nur Ihr Telefon, das abgehört wurde, sondern es war und bleibt eine Demütigung aller Deutschen und ist und bleibt ein permanenter Rechtsbruch. Hatten Sie denn, als Sie das No-Spy-Abkommen beerdigt haben, vergessen, dass Sie Ihren Amtseid nicht auf eine Fibel der NSA, sondern auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland abgelegt haben? Die USA treten unsere Grundrechte mit Füßen, und Sie lassen sich abhandeln, Edward Snowden in Deutschland nicht als Zeugen aussagen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie schon so wenig Selbstrespekt haben, dann sollten Sie zumindest Respekt vor dem deutschen Recht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Erich Kästner schrieb einst:

Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.

 Sie trinken ihn, Frau Bundeskanzlerin.

Was haben Sie uns denn aus den USA mitgebracht? Zum Beispiel, dass diese verdammten Atomraketen aus Rheinland-Pfalz abgezogen werden? Was einem souveränen Deutschland angemessen wäre?!

Die USA wollen ihre Vormachtstellung gegenüber ihren potenziellen Konkurrenten Russland und China absichern und deswegen ein Freihandelsabkommen mit der EU. Sie hätten also mit diesem TTIP ein Druckmittel gehabt; aber Sie sind in die Knie gegangen.

Können Sie hier klar ausschließen, dass der US-Konzern Monsanto, wenn ein deutscher Imker oder Landrat gegen dessen Genmais vorgeht, keine Schadenersatzansprüche gegen die Bundesrepublik erheben kann? Wegen entgangener Gewinne?

Oder dass Mindestlohn zu Klagen führt, noch dazu vor Schiedsrichtern in lächerlichen Hinterzimmern, die gar keine Gerichte mehr sind, sondern einen Sonderstatus haben? Können Sie das ausschließen? Wenn nicht, ist Ihr Schweigen auch eine Aussage.

Warum dann die ganze Geheimniskrämerei um das Investorenschutzkapitel des TTIP? Was soll der jetzt bekannt gewordene „Regulierungsrat“ aus Bankern und Konzernlobbyisten, der nationalen Parlamenten Gesetzesvorhaben verbieten darf, wenn sie dem Freihandel schaden?

In Wirklichkeit lauern die US-Konzerne darauf, europäische Öko- und Sozialstandards zu ruinieren. Und die Deutsche Bank lauert darauf, in den USA nicht mehr für ihre Betrügereien bestraft zu werden. Denn dort ist die Finanzaufsicht schärfer als in dem Land, in dem die Bundeskanzlerin den Geburtstag des Oberbanksters Josef Ackermann im Kanzleramt feiern ließ.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele fragen: Ging es Obama und Ihnen bezüglich der Ukraine nur darum, wer näher dran ist, wenn die Splitter fliegen, und wer schneller an Kohle und Stahl oder am Schiefergas ist? Das ist übrigens eine tolle Vorstellung: Überall auf der Welt wird gegen Fracking demonstriert, und in der Ukraine wurde das Fracking von SS-Milizen der Swoboda-Partei abgesichert.

Heute ist der 8. Mai, den Bundespräsident Weizsäcker den Tag der Befreiung nannte. Uns wird immer gesagt, dass wir den amerikanischen GIs dafür dankbar zu sein haben. Aber es war der amerikanische Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway, der dies um folgenden Satz ergänzte – ich zitiere: „Wer den Frieden befürwortet, wird der Roten Armee so viel danken müssen, wie er in seinem ganzen Leben nicht wird arbeiten können.“

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kenne die richtigen Worte, Deutsche hätten selbst mit berechtigter Kritik an der israelischen Regierung erst einmal innezuhalten wegen der 6 Millionen Ermordeten des Holocausts. Wer aber von Ihnen bessere Beziehungen zur Bild-Zeitung hat als ich, sollte denen einmal sagen: Haltet inne mit eurem pausenlosen „Russen-Bashing“ – auch wegen der 27 Millionen mit SS und Wehrmacht ermordeten Sowjetmenschen!

(Beifall bei der LINKEN)

Kann denn bei Springer niemand verstehen, was es für russische Familien bedeutet, wenn in der Ukraine die mitregierende Swoboda-Partei – mit Hitlergruß – ihre Parteihochschule nach Joseph Goebbels benennt? Nach Joseph Goebbels! Kann niemand verstehen, was das für diese Menschen bedeutet, nachdem es dort 27 Millionen Tote gegeben hat?

Die Linke demonstriert heute vom Brandenburger Tor zum Sowjetischen Ehrenmal, welches die Bild-Zeitung gerade plattmachen möchte. Wir gedenken auch der vielen Menschen, die letzte Woche im Gewerkschaftshaus von Odessa bei lebendigem Leibe verbrannt und von Faschisten mit Baseballschlägern wie Vieh totgeschlagen wurden.

Wir denken auch an die Stockholmer Rede von Willy Brandt mit dem Kernsatz: „Krieg ist nicht die Ultima Ratio, sondern die Ultima Irratio.“ Willy Brandt hat auf Knien die deutschen Interessen vertreten.
Sie nicht, Frau Bundeskanzlerin.

(Beifall bei der LINKEN)