Zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2014 bis 2020) lagen zwei Anträge von der Regierungskoalition und der SPD-Fraktion vor

 


Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das eigentliche Problem ist doch: Deutscher Marx-Extremismus

(Zuruf von der CDU/CSU: Marx-Extremismus! - Heiterkeit)

- Das fänden Sie schön: „Marx-Extremismus“!! Nein! Deutscher Markt-Extremismus

(Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)

prägt leider auch den mehrjährigen Finanzrahmen.

Herr Kauder triumphierte unlängst: In Europa spricht man jetzt wieder Deutsch. - Hat der Mann Fingerspitzengefühl?

(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meinte er Hochdeutsch?, ist die Frage!)

Am deutschen Lohndumpingwesen soll wohl Europa genesen. Aber auf den Straßen skandieren die Menschen Griechisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und - wie heute beim Generalstreik in Portugal - Portugiesisch. Und das ist auch gut so.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Unterordnung demokratischer Souveränität und Sozialstaatlichkeit unter die Rettungsprogramme für Großspekulanten und Finanzhaie durchzieht den Koalitionsantrag. Die Deckelung der Ausgaben auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens wird als Ausdruck der Stabilität gepriesen. Was die Deckelung aber tatsächlich bedeutet, kann man bereits bei der Einigung auf den EU-Haushalt 2012 sehen. Dieser wird um 1,86 Prozent wachsen. Bei einer allgemein prognostizierten Inflationsrate von 2 Prozent haben wir es also de facto mit einer Schrumpfung zu tun - und das, obwohl Griechenland, Spanien, Italien nichts so dringend brauchen wie frisches Geld in der Realwirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die geforderte Integration der bestehenden Schattenhaushalte bedeutet, dass an anderen Stellen gekürzt werden muss. Konkret reden wir hier von einem Volumen von 58 Milliarden Euro. Die wichtige Frage ist dann: Wo soll gekürzt werden?

Berechnungen aus Bundesministerien besagen, dass bei der Integration der außerhalb des Agrarbudgets stehenden Finanzierungselemente die tatsächlichen Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik bis 2020 nicht auf ein Drittel des gesamten EU-Budgets sinken, im Gegenteil: Sie werden noch um 10 Prozent über den bisherigen Ausgaben liegen. Aber das kommt eben nicht regionalen Kreisläufen zugute, sondern Großagrariern.

(Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt! Da hat er recht!)

Die finanzielle Ausstattung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, verbinden Sie ausdrücklich mit dem Anspruch auf eine bessere militärische Handlungsfähigkeit. Also hier soll nicht gespart werden. Sie wollen die Militarisierung der EU,

(Lachen bei der FDP)

wir Linken wollen mehr Geld für friedliche Konfliktlösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann soll zugunsten des Forschungsatomreaktors ITER bei anderen Forschungsprojekten gespart werden, obwohl ITER frühestens 2050 Strom produziert - wenn überhaupt, wenn überhaupt! Obwohl auch ITER radioaktiven Müll bringt. Toller Atomausstieg!

Sollten wir nicht statt ITER noch konsequenter erneuerbare Energien fördern?
Generell steht bei europäischen Forschungsprojekten als Vergabekriterium im Bereich Forschung ausdrücklich die Marktrelevanz im Vordergrund. Wann begreifen Sie endlich, dass Marktrelevanz und gesellschaftlicher Nutzen zwei völlig getrennte Dinge sind?

(Beifall bei der LINKEN)

Unter Punkt 17 Ihres Antrags propagieren Sie öffentlich-private Partnerschaftsmodelle für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Haben Sie noch nie etwas von einer Stadt namens Berlin gehört? Deren Wasserpreise sind jetzt vom Bundeskartellamt ins Visier genommen worden.

(Lachen bei Bündnis 90/Die Grünen - Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, ich weiß, wer da lange regiert hat!)

Auch Teilprivatisierung ist ein Brandbeschleuniger für Preise.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Zum Sparen bleibt dann also nur noch die Kohäsionspolitik,

(Joachim Spatz (FDP): Berlin, wer war denn das?)

der EU-Haushaltsbereich, der auf die Lebenswirklichkeit und die Realinvestitionen in wirtschaftlich darniederliegenden Regionen die unmittelbarsten Auswirkungen hat. Indem Kohäsionspolitik nun aber konditioniert wird und in relevanten Teilen auf revolvierende Fonds also Fonds, deren Ressourcen aus damit finanzierten Projekten aufgefüllt werden umgestellt werden soll, wird erneut offenkundig, dass das Soziale bei Ihnen auf entwürdigendste Weise dem Wettbewerb untergepflügt wird.

Konkret sagt die EU-Kommission über den Europäischen Sozialfonds ich zitiere : Er ist
das Hauptfinanzinstrument der Europäischen Union für die Investition in Menschen. Er verbessert die Beschäftigungsmöglichkeiten europäischer Bürger, fördert eine bessere Bildung und verbessert die Lage der am stärksten armutsgefährdeten Menschen.

Wer aber Armutsbekämpfung rentabel und selbstfinanzierend machen will, der handelt menschenverachtend.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer dabei die superreichen Reeder in Griechenland und die Ackermänner in Deutschland steuerlich schont, zerstört den Euro und die europäische Integration. Ihr Dogma vom hemmungslosen Wettbewerb ist und bleibt antieuropäisch.

(Beifall bei der LINKEN)