Über Linke in Europa, die selbstverschuldete Krise der Partei Die Linke, die Suche nach Vorsitzenden und über vernunftbasierte Politik in Zeiten der neoliberalen Gegenaufklärung
Von Wolfgang Gehrcke, Diether Dehm, Kurt Neumann, Christiane Reymann, Harald Werner

Die jüngsten Wahlergebnisse der Linken: 2,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen, 2,2 in Schleswig-Holstein, 3,0 in Rheinland-Pfalz und 2,8 in Baden-Württemberg sind für die Zukunft der Partei eine hohe Belastung. Der Westen bricht weg, das suggerieren zahlreiche Medien mit Blick auf Die Linke von früh bis spät. Aber auch die Wahlergebnisse im Osten, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, in Berlin mit seinem Ost-West-Mix, weisen keinen überzeugenden Aufwärts­trend auf. In Berlin ist die ganze katastrophale Wählerentwicklung der Linken nach wie vor auf den Punkt gebracht.

Die mediale Vereinfachung: »linksradikale Fundamentalisten« im Westen verlieren und »Reformer Ost« gewinnen, ist ebenso falsch wie das gegenteilige Bild. Nach dem Ausscheiden von Oskar Lafontaine aus der Bundesspitze der Partei ist in Ost wie West verloren worden. Die schon fast verzweifelte Suche nach den Ursachen der Wahlniederlagen reduziert sich nun auf einen Personenstreit. Personen gehören dazu, allein sind sie jedoch weder Ursache noch Ausdruck der Krise der deutschen Linken. Ungewollt analytisch brachte das ein von Hartz-IV Betroffener auf den Satz: »Für mich habt ihr nichts rausgeholt, und den Oskar habt ihr auch vergrault.« Die Wählerklientel der Linken geht nicht mehr zur Wahl; nicht primär die Piraten, sondern das Abgleiten in die Nichtwählerschaft, die gesellschaftliche Resignation sind die Probleme der Linken. Der Partei fehlt ein mit ihr in Verbindung stehendes Zukunftsthema und die Entschlossenheit, es politisch gemeinsam zu verfechten. Verteilung und Umverteilung ist ein solches Zukunftsthema. Es gehört ins Zentrum der Politik der linken Partei und eines demokratischen, transparenten und solidarischen Politikverständnisses. Personenentscheidungen allein bringen Die Linke nicht auf Erfolgskurs – das gilt für den Osten und den Westen gleichermaßen.
Selbstverschuldete Krise
Die Kunst der Politik liegt in der Zuspitzung: zum richtigen Zeitpunkt die entscheidenden Fragen herauszugreifen und Stimmungslagen auf den Begriff zu bringen. Die Linke hat diese Kunst verlernt und vergessen, warum sie bei den Bundestagswahlen 2009 so erfolgreich war. Vor kurzem noch strahlendes Vorbild für viele Linke in Europa, steckt sie nun in einer selbstverschuldeten Krise. Zu sehr mit sich selbst beschäftigt, nimmt sie Veränderungen in der Gesellschaft und im Bewußtsein unzureichend zur Kenntnis. Die Aufbruchstimmung von 2009 ist verflogen.

Zunächst fällt auf: Die Linke erlebt sich selbst nicht (mehr) als Partei im Aufbruch, vielleicht, weil es gesellschaftlich derzeit keine Aufbruchstimmung gibt. Doch die Partei sollte mehr als nur Spiegelbild der Gesellschaft sein; eine so junge Partei sollte sich nicht mit nach unten gezogenen Mundwinkeln präsentieren und Gerüchte über dieses und jenen zum Politikersatz machen. Gerade hat sich Die Linke ein neues Grundsatzprogramm gegeben, einhellig auf einem Parteitag und in einer Urabstimmung (!) verabschiedet, gerade könnte sie mit Selbstbewußtsein sagen: Das sind wir, das wollen wir, so könnt ihr mit uns rechnen (oder uns bekämpfen) – schon wird das Programm, und das ist ja die Selbstdarstellung, das Selbstbild der Linken, von der eigenen Partei in die Bedeutungslosigkeit verbannt.

Die Ödnis der innerparteilichen Diskussionen und der Niedergang bei Wahlen und in Umfragen haben politische und strukturelle Gründe. Diese zu erkennen und zu benennen, ist ein erster notwendiger Schritt, um die Krise zu überwinden. Wahllos werden Namen von Kandidatinnen und Kandidaten in die Welt gesetzt und auf diese Art Personen verschlissen; oftmals macht man sich gemein mit uns nicht wohlgesinnten Medien. Der Medienkampf von Linken macht es fast unmöglich, gemeinsam und öffentlich über die Gründe unserer Krise nachzudenken.


Linke erstarkt EU-weit


Beginnen wir mit einem Blick auf Westeuropa: Die spanische Linke ist im Begriff, ihre Krise, die nicht zuletzt in der Anpassung an die sozialdemokratische Zapatero-Regierung wurzelte, zu überwinden, und legt auch bei Wahlen wieder erheblich zu. In Griechenland, wo am 6. Mai gewählt wurde, sprang das mit der Partei Die Linke vergleichbare Wahlbündnis ­SYRIZA mit einem Zuwachs von zwölf Prozent auf Platz 2 der Wahlergebnisse. Die traditionell dominanten Parteien der Staatsverwaltung, die sozialdemokratische PASOK und die Nea Demokratia – vergleichbar mit SPD und CDU –, wurden von den Wählerinnen und Wählern vom Sockel gestoßen. Für den Fall von Neuwahlen prognostizieren Umfragen der linken SYRIZA mit fast 24 Prozent den ersten Platz. Zu den damit gewonnenen Sitzen im Parlament käme dann noch der undemokratische »Gewinner-Bonus« von 50 zusätzlichen Sitzen. Zusammen mit der Kommunistischen Partei Griechenlands, KKE, und der der Demokratischen Linken, einer Abspaltung der Partei Synaspismos, gäbe es eine linke Mehrheit. Aber auch in Griechenland gilt: Rechnerische Mehrheiten sind keine politischen Mehrheiten. Der Streitpunkt zwischen den linken Parteien ist nicht die Frage, ob man die Regierung übernimmt, sondern welches Programm des Wechsels unabdingbar ist. Das Ergebnis ist noch offen.

In Italien bewegt sich links wieder etwas, in Dänemark verdreifachte die rot-grüne Einheitsliste im Herbst 2011 mit ihrem EU-kritischen Programm ihr Wahlergebnis und toleriert in einem sehr komplizierten Prozeß die sozialdemokratische Minderheitsregierung. Bei Meinungsumfragen rangiert die Sozialistische Partei der Niederlande auf Rang 1, vor der sozialdemokratischen Partei der Arbeit, und in Tschechien liegt die KP Böhmens und Mährens mit 23 Prozent knapp hinter der Sozialdemokratie auf Platz 2 der Hitliste.

In Frankreich hat sich die extrem zersplitterte Linke bei den Präsidentschaftswahlen zur Front de Gauche zusammengetan. Obwohl eine gemeinsame Partei nicht in Sicht ist, treten die ehemals verfeindeten Linkskräfte gemeinsam auf. Das motiviert die Wählerinnen und Wähler und die Aktiven. Ihr gemeinsamer Kandidat Jean-Luc Mélenchon mobilisierte die Menschen, Zehn-, ja Hunderttausende strömten zu Kundgebungen der Linksfront. Mit elf Prozent bei den Präsidentschaftswahlen hat die französische Linke wieder Strahlkraft gewonnen und gute Chancen, auch bei den Parlamentswahlen ein starkes Ergebnis zu erzielen. Die Wählerinnen und Wähler in Frankreich wußten, daß Mélenchon nicht Präsident wird. Aber er hat François Hollande, den Kandidaten der Sozialdemokratie, nach links gedrückt, und er hat eine Stichwahl unter Beteiligung von Marine Le Pen verhindert. Ohne die linke Alternative hätten die Rechtspopulisten in Frankreich und die Neofaschisten in Griechenland einen weiteren Teil der EU-kritischen Bürgerinnen und Bürger für sich gewinnen können – eine wichtige Erfahrung auch für Deutschland im Kampf gegen rechts.

Ein linker Aufbruch, eine Linkswende gar, zeichnet sich in Europa nicht ab, weder im Westen noch im Osten, wobei die politische Landkarte in Ost und West sehr unterschiedlich ist. Die politische Linke wird wieder sichtbar und meldet sich auch parlamentarisch zurück auf die politische Bühne. Die Parteien der Linken arbeiten – mit Ausnahme der SP Niederlande, der KKE und der Demokratischen Linken in Griechenland – in der Europäischen Linkspartei und sind alle Mitglied in der gemeinsamen Fraktion GUE/NGL im Europaparlament. Die »Gewinner« sind radikal, system- und EU-kritisch. Beispielhaft sei auf einige Punkte aus dem Programm der französischen Linksfront hingewiesen: Sie enttarnt den angeblichen Sparzwang, der sozialdemokratische und konservative Parteien eint, als Trugbild, als Umverteilung von unten nach oben. Sie sagt klar und deutlich Nein zur Schuldenbremse, fordert Investitionen in Soziales, Infrastruktur, die Neuverhandlung des europäischen Fiskalpaktes, die Anhebung des Spitzensteuersatzes (in Frankreich auf 75 Prozent), den sofortigen Abzug aus Afghanistan, einen Ausstieg aus der NATO. Systemkritischen Protest und Opposition wählen, heißt in Frankreich wie überall in Europa derzeit, links wählen. Fast überall übrigens ohne Aussicht auf »Gestalten« in einer Regierung. Front de ­Gauche hat ein eigenes, deutliches Profil. Das Profil der Partei Die Linke ist über die vergangenen Jahre ausgefranst.


Es geht um Inhalte


Mit 135000 Mitgliedern ist die KP Frankreichs die mitgliederstärkste kommunistische Partei Westeuropas. Trotzdem hat sie sich für die Präsidentschaftswahlen 2012 entschieden, Jean-Luc Mélenchon als gemeinsamen Kandidaten der Linksfront zu unterstützen. Jean-Luc war Mitglied der französischen Sozialisten, Berater Mitterrands, Minister in der Regierung Jospin. 2008 gründete er die Parti de Gauche, die Partei der Linken. Sie ist mit der KPF und einigen anderen, trotzkistischen, Parteien Teil der Linksfront. Der KPF ist die Entscheidung, auf einen Antritt zu verzichten, wohl leichter gefallen, weil die Ergebnisse ihrer Eigenkandidatur zuletzt 2007 mit weniger als zwei Prozent dürftig waren. Die Fähigkeit, unter Linken enger zusammenzurücken, ist nicht immer Resultat einer wohl erwogenen Strategie, sondern auch von Niederlagen. Wie auch das Ausscheiden der PDS aus dem Bundestag 2002 die Bereitschaft gefördert hat, sich auf ein neues linkes Projekt einzulassen. Das fruchtbare Umfeld zur Gründung der Partei Die Linke waren Protest in der Gesellschaft, der politische und moralische Niedergang von SPD und Grünen sowie eine zunehmende soziale Spaltung. Personen wie Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Lothar Bisky konnten die Proteststimmung in Politik verwandeln. Damals galt für Die Linke: »Die können das.« Glaubwürdigkeit und starke Persönlichkeiten an der Spitze der Partei erwarten auch linke Wählerinnen und Wähler, gerade wenn sie sich selbst schwach fühlen. Bei den »Kandidierenden« müßte es jetzt um diese Fähigkeiten gehen und nicht um innerparteiliche Taktiken und Winkelzüge. Es darf nicht wieder eine Führung zusammengekungelt werden, die vermeintlich (!) alle wichtigen Spektren der Partei, quotiert nach Geschlechtern sowie Ost und West, »einbindet«, ein abschreckendes Wort, die aber nicht danach fragt, wie sich eine zupackende und ausstrahlende Leitung entwickeln kann. Zwischen den Vorsitzenden wird es eine Geschlechterquotierung geben, aber eine »Arbeitsteilung« in Opposition und Regierung wäre kontraproduktiv. Eine solche Arbeitsteilung würde nicht nur die Vorsitzenden gegenseitig paralysieren, sondern die gesamte Partei. Mit Schrecken sei an die Spitzengruppe der PDS zu den Bundestagswahlen 2002 erinnert: Auf Großwerbeflächen blickten Dietmar Bartsch, Gabriele Zimmer, Petra Pau und Roland Claus nicht nur in verschiedene Richtungen, auch ihre Politik zielte in verschiedene Richtungen.

Viele Mitglieder der Linken meinen, daß sie in der Gesellschaft wenig zu sagen haben. Und sie haben sich daran gewöhnt. Das ist nicht ganz richtig, denn es war Die Linke, die Themen wie Mindestlohn und die Bekämpfung von Leiharbeit mehrheitsfähig gemacht hat. Auch an dem mehrheitlichen Nein der Bevölkerung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat Die Linke einen großen Anteil. Doch die bittere Ironie der Geschichte ist: Links wirkt, aber manchmal ohne Die Linke. Indem andere Parteien »unsere« Themen übernehmen, erscheinen wir überflüssig, und manche fühlen sich auch so. Darauf nur mit der Suche nach neuen »Alleinstellungsmerkmalen« zu antworten, ist hilflos und läßt Die Linke sprunghaft erscheinen. Eigentlich verbessern »Übernahmen« unsere Möglichkeiten, uns tiefer, nach Marx: radikaler, an die Wurzel gehend, mit den Menschen und den gesellschaftlichen Problemen zu verbinden. Der Gebrauchswert der Linken liegt nicht in der Mehrheitsbeschaffung für Rot-Grün, sondern in einem eigenen Profil, in politischem Druck und in dem, daß Die Linke ausspricht, was ist.


Mitglieder abgehängt


Vielleicht können unsere Mitglieder damit leben, daß sie derzeit in der Gesellschaft eine Minderheit sind und entsprechend gehört bzw. überhört werden. Sie können aber nicht damit leben, daß ihre Meinung in der eigenen Partei immer weniger gefragt ist. In der Partei sind Strukturen der Selbstorganisation gefährdet, Interessen- und Arbeitsgemeinschaften, auch Aktive, die in keinem Parlament sind, kommen in größerem Rahmen kaum noch zu Wort. Zu viele Mitglieder machen die Erfahrung, daß sie totgeschwiegen werden, ausgegrenzt, stigmatisiert – in anderen Worten: daß sie offensichtlich in der Partei überflüssig sind. Damit untergräbt die Partei ihre eigene Kreativität, ihre Fähigkeit zu Kritik und Erneuerung. Die Mitglieder, Freundinnen und Freunde der Linken müssen wieder Subjekte der Handlungen und Handlungsbedingungen ihrer Partei werden. Das sind sie derzeit nicht, weil nicht miteinander, sondern über die Köpfe der Mitglieder hinweg geredet wird, vor allem mit den Medien.

Die Linke war einmal mit der Haltung Protest und dem Lebensgefühl Aufbruch verbunden. Welcher Haltung, welchem Lebensgefühl können und müssen wir heute Ausdruck geben? In der Parteienlandschaft haben sich SPD und Grüne als Wahlalternative zu Schwarz-Gelb wieder etabliert, bei allerdings nur geringen inhaltlichen Unterschieden. Offen ist noch, wer Kanzlerkandidat der SPD wird. Steinmeier, Steinbrück und Gabriel belauern sich gegenseitig. Keine Troika bleibt auf Dauer bestehen. Der SPD-Troika wird es nicht anders gehen. Die Grünen nähern sich nach zeitweisen Höhenflügen langsam wieder dem Boden an und haben nicht mehr zu sagen, als daß sie es erneut mit der SPD zusammen machen wollen. Die Agenda 2010 ist nicht tot, alle Spitzenpersonen von SPD und Grünen stehen, bei Korrekturen im einzelnen, in der Tradition dieser Politik. In beiden Lagern – SPD/Grüne und CDU/FDP – kommt Die Linke nicht vor. Für einen Regierungswechsel braucht keiner Die Linke, und ein Politikwechsel liegt weder im Interesse der Herrschenden, noch will ihn zur Zeit eine breite Mehrheit der Bevölkerung. Die Ungewißheit der Krise leitet das Wasser auf die Mühlen des Bestehenden. Fast überall, wo bei vergangenen Wahlen eine Regierung unter Einschluß der Linken denkbar war, in Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, hat sich die SPD – von Brandenburg abgesehen – entschieden, mit der CDU zu paktieren. Wenn aber ein Regierungswechsel nicht auf der Tagesordnung steht, braucht unsere Partei eine Führung, die für ebenso glaubwürdige wie wirksame Opposition steht. Seitens der Linken sind potentielle Regierungsmitglieder im Wartestand auf Bundesebene nicht gefragt. Der Platz des koalitionären Juniorpartners ist schon besetzt.


Zwischen allen Stühlen


Als Partei eines neuen Politikstils treten die Piraten auf. Sie sind auf dem aufsteigenden Ast, vielleicht auch, weil niemand so genau weiß, was sie politisch wollen. Friedenspolitisch sind sie ein Ausfall, für soziale Gerechtigkeit deplaziert, zur Verteilung von Steuern und Eigentum haben sie nichts zu sagen. Sie entsprechen einem vornehmlich männlich geprägten Lebensgefühl vom Anderssein als das Establishment. Die Piraten gelten als nicht etabliert und werden als eine Kraft für mehr Demokratie und Transparenz gesehen. Warum wird das nicht (mehr) mit der Linken verbunden?

Die Piraten sind Ausdruck für die Entpolitisierung von Politik. Diese Entpolitisierung der Politik, die »Entideologisierung«, die Aufgabe von Interessengebundenheit, bestimmt mehr und mehr die Gesellschaft. Ausdruck dafür sind in erster Linie die Feindbilder, die überall in Europa um sich greifen: Antisemitismus, Islamophobie, Antiziganismus, allgegenwärtiger Terrorismus von allen Seiten etc. Aber auch die tief verankerten Mythen des Neoliberalismus wie: »Sparen« ist das vornehmste Regierungsziel, der Sozialstaat ist nicht mehr zu bezahlen, Deregulierung schafft Arbeitsplätze etc. Alles irrational. Die Entpolitisierung von Politik ist nicht zuletzt der Nährboden für das besorgniserregende Wachstum nationalistischer und rechtsradikaler Parteien. In Europa erleben wir eine Welle der Gegenaufklärung, in der es die Stimme der Vernunft – und darauf baut die Linke – schwer hat, Gehör zu finden; sie ist aber nötiger denn je als Damm gegen Dummheit, Verrohung, Gewalt.

Machtpolitisch scheint Die Linke derzeit zwischen allen Stühlen zu sitzen. SPD und Grüne brauchen sie nicht, Schnittmengen und Gemeinsamkeiten sind gering. Auch der Protest gegen die Etablierten geht teilweise an der Linken vorbei, und viele Wählerinnen und Wähler der Partei bleiben bei den Wahlen zuhaus. Erfolg stimuliert Erfolg, und Mißerfolge sind nicht besonders motivierend.

Selbst die pressegestützte Debatte über die Personalpolitik in der Linken ist ungelenk und nicht inspirierend. Die Linke muß beweisen, daß sie noch immer fähig ist, das auszusprechen, was ist. Ihr Nutzen erweist sich derzeit nicht in der Beteuerung ihrer Regierungsbereitschaft, sondern in fundierter Kritik bestehender Regierungen. Sie kann den gesellschaftlichen Protest allein weder anstoßen noch zur gesellschaftlichen Opposition formen oder gar lenken. Aber sie kann ihm Ideen und eine Stimme geben. Das ist nicht viel, aber das Wenige ist bedeutsam, es kann und muß ausgebaut werden.

Die Linke setzt sich kritisch mit der EU auseinander, nicht zuletzt durch die Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt. EU-kritische Stimmen dürfen nicht die Beute von Rechtspopulisten werden.

Die Linke will Banken in öffentliches Eigentum überführen. Und sie verteidigt die öffentliche Daseinsvorsorge. Das ist nicht nur richtig, sondern konsequent.

Niemals einem Einsatz der Bundeswehr im Ausland zuzustimmen, das ist ein Prinzip, das Die Linke hoch hält, es ist bestimmend für ihr Profil.

Verschiedene Medien raten uns immer wieder, Die Linke müsse lernen, auch Ja sagen zu können. Umgekehrt: Die Linke muß lernen, konsequent und verläßlich Nein zu sagen, wenn das Ja zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung geht. Die Gestaltungskraft der Partei liegt derzeit nicht in der Illusion, sie könne parlamentarische Mehrheiten herbei verhandeln. Sie muß ihre Stärke als gesellschaftliche wie als parlamentarische Opposition zurückgewinnen. Wer immer demnächst die Partei führen will, muß dies glaubhaft vertreten können.

Wolfgang Gehrcke und Diether Dehm sind Abgeordnete der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Harald Werner ist Mitglied im Parteivorstand Die Linke, Christiane Reymann und Kurt Neumann sind Mitglieder der Partei Die Linke