Letztes Projekt: "Rosa-Rot-Grüner Nelkenaufbruch"
Diether Dehm zieht sich aus der Führung der Linkspartei zurück- und will an Manfred Sohn übergeben
 
Er ist ein Paradiesvogel in der niedersächsischen Politik, legt mindestens so viel Wert auf Show wie auf inhalte und bereitet sich nun auf seinen Abschied vor: Diether Dehm (60), seit sieben Jahren Landesvorsitzender der Linkspartei und vormals PDS, will sich aus der Führung der Landespartei zurückziehen. "Ich nehme ein bis zwei Jahre  Auszeit", sagt er zu Pfingsten dieser Zeitung. Für seine Nachfolge schlägt er den umstrittenen Vorsitzenden der Landtagsfraktion Manfred Sohn (64) vor.

Der Parteitag soll im November den neuen Vorstand wählen. Dehm, der im kleinen Ort Großentaft im Kreis Fulda wohnt, gehört seit fünf Jahren dem Bundestag an, lebt aber nicht von der Politik. Er hat es als Musikmanager zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, ist als Autor und Verleger von Musiktiteln berühmt geworden. "Von Dieter Bohlen kennt kaum jemand ein Lied, von mir jeder", sagt er selbstbewusst. Ob "Tausendmal berührt", "Monopoly" oder "Was wollen wir trinken, sieben Tage lang" - Dehm beweis in der Zusammenarbeit etwa mit Klaus Lage, Konstantin Wecker und Katarina Witt gutes Gespür und reichlich Geschäftssinn. In der Linkspartei gehört er zu denen, die früh und vehement für die Verstaatlichung von Großbanken eingetreten sind. Dehm war in den Siebzigern in der Frankfurter SPD aktiv, brachte es bis zum Bundesvorsitzenden der Arbeitgebervereinigung in der Partei. 1999 wagte er eine zweite Karriere in der PDS, wurde stellvertretender Bundesvorsitzender - und scheiterte 2003 an heftigen internen Streitigkeiten, auch mit dem kürzlich abgelösten Bundesgeschäftsführer der Linken Dietmar Bartsch. 

 
Seine Karriere im Landesverband war wesentlich erfolgreicher. Dehm, der in der Linkspartei zur "Sozialistischen Linken" zählt und damit das Hauptziel eines breiten Oppositionsbündnisses und nicht die Regierungsbeteiligung verfolgt, einte die verschiedenen Flügel der Partei, band Reformer ebenso ein wie kommunistische Dogmatiker, musste sich dann aber nach dem Erfolg bei der Landtagswahl 2008 (7,1 Prozent) von der DKP Frau Christel Wegner trennen und das Bündnis mit der DKP nachträglich als Fehler eingestehen. Als "vorerst letzten Erfolg" beschreibt er die vor wenigen Wochen erreichte Versöhnung der beiden zerstrittenen Linksfraktionen in der Landeshauptstadt Hannover. Dehm wirbt derweil intern dafür, die Linke für eine rot-rot-grüne
Zusammenarbeit nach der Landtagswahl 2013 zu erwärmen. Er nennt das einen "rosarot-grünen Nelkenaufbruch" und warnt davor, "die Fehler aus Nordrhein-Westfalen zu wiederholen". Die Linke müsse nicht definieren, wogegen sie ist, sondern "zwei bsi drei zentralen Projekte" benennen, die sie in der Koalition durchsetzten will. Dazu könne etwa die Umgestaltung der Finanzämter zu Ratgebern fürKleinbetriebe gehören, meint er.

Ob allerdings Dehms Personalvorschlag für seine eigenen Nachfolger die Annäherung an SPD udn Grüne erleichtert, darf bezweifelt werden. Neben Gisela Brandes-Steggewentz aus Osnabrück, die wieder kandidiert, soll Landtagsfraktionschef Manfred Sohn neuer Landesvorsitzender werden. Sohn ist umstritten, weil er nich zehn Jahre nach dem Ende der DDR den SED-Staat in linksradikalen Schriften verteidigt hatte und immer wieder für einen "Druck der Straße" eintritt.
 Dehm selbst will auf anderen Feldern politisch agieren. Sein Liebesroman "Bella ciao" soll demnächst in Chemnitz als Oper aufgeführt werden, dann schreibt er an seinem Roman "Sozialdemokraten", der sich mit seinen frühren Genossen auseinandersetzt. "500 Seiten sind schon fertig, 800 sollen es werden", sagt er. Auch Liebe und Mord sollen darin vorkommen. Außerdem baut Dehm mit Freunden wie Daniela Dahn  und Albrecht Müller einen linken TV-Sender auf, der zunächst im Internet verbreitet wird. "Dort werden regelmäßig Andrea Ypsilanti und Herman Scheer ihre Botschaften verbreiten", kündigte Dehm an.

[Text Artikel; HAZ Beitrag, Autor: Klaus Wallbaum] 25.05.2010
[Artikel Bild] 25.05.2010 / HAZ