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Kategorie: Positionen

Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht. (Bert Brecht, Lob der Dialektik)

Liebe Genossinnen und Genossen,
ein Genosse, den ich wegen seiner offenen Kritik schätze, überzeugte mich dann doch, zu dem Geschreibe auf Facebook bezüglich meines Besuchs beim Frankfurter Bild-Sommerfest etwas zu äußern. Eigentlich bin ich aus Facebook u.ä. draußen, weil ich Orte bevorzuge, wo ich Kriegstreibern, Großbanken und Konzernen schaden kann und nicht - ersatzhandelnd - der Magenschleimhaut meiner Genossen.

 

Ich gehöre zu den wenigen Abgeordneten, die in Berlin eigentlich allen externen Empfängen und Einladungen fernbleiben. Aber das Frankfurter Bild-Sommerfest besuche ich seit über 20 Jahren (vor allem, um alte Frankfurter Freunde zu treffen), also auch, als ich die Zeile kreierte: "Finanzhaie, Bild und Spiegel quälen / Liste 5 Die Linke wählen".

 

Das Interessante aber dabei ist, dass mich der Chefredakteur von Bild-Frankfurt auch im Wissen dieser Zeile, vieler Presse-Prozesse gegen Bild und auch als Manager von Wallraffs "Bild-lügt"-Kampagne weiterhin einlud. Außerdem: Unter seiner Äguide konnte ich bereits in den 90ern Angriffe auf die Deutsche Bank usw. in Bild-Frankfurt unzensiert veröffentlichen. Mit Bild-Deutschland gab es das kaum, führte ich harten Streit um NATO, Griechenhatz, Israelpolitik, Hartz IV, Putinbashing, Christian Wulff u.a. - nachzusehen bei Maischberger, Anne Will oder zuletzt bei n-tv-Somuncu gegen den stellvertretenden Bildchef Blome.

 

Einige scheinen sich auch darüber aufgeregt zu haben, dass ich Petra Roth, die frühere Frankfurter Oberbürgermeisterin, dort umarmt hatte. Und auch diese Freiheit behalte ich mir für die Zukunft vor. Ich war mit Petra Roth lange, bevor sie Oberbürgermeisterin wurde, freundschaftlich bekannt, hatte mit ihr den Verwaltungsrat des FSV Ffm. geleitet und für diesen traditionsreichen, sozialdemokratischen Fußballverein vieles gemeinsam aus dem Feuer geholt. Danach saß ich mit ihr in der Frankfurter Stadtregierung, wo sie eine besonders migrationsfreundliche und tolerante Politik auch gegen ihre CDU-Rechten durchsetzte, (z.B. gegen die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach, meine Gegenkandidatin im Frankfurter Wahlkreis). Sowas bringt einen näher, auch über Parteigrenzen. Schließlich habe ich mit Petra Roth das "Römerbergbündnis" gegen Nazi-Aufmärsche gegründet, das von VVN, Jusos, über die CDU bis zu Ignaz Bubis von der Jüdischen Gemeinde reichte. Dieses Bündnis hat sie als Oberbürgermeisterin weiter begleitet. Ich werde auch in Zukunft diese "Beziehung" nicht schamhaft verschweigen.

 

Wer nun glaubt, solche "Eigenwilligkeit" von Linken wie mir bespötteln zu müssen, der darf dies gerne tun und ich nehme das niemand richtig übel. Wer allerdings versucht, das in irgendeine Benimmregel zu übersetzen, die am Ende Einschüchterung hinterlässt für solcherlei Bekanntschaften über enge Parteigrenzen hinweg, der stößt bei mir auf Granit Dies aus einem einfachen Grund: Ich bin für weniger Bewegungsfreiheit für Konzerne, Kriegstreiber und Großbanken, aber für mehr Freiheit für alle "darunter"! Ich bin für mehr Verbote gegen die Herrschenden und für weniger Verbote bei den Beherrschten!

 

Ich habe aber den Eindruck, dass nach Niederlagen, Globalisierung und 1989 bei einigen "Linken" die Resignation in kulturelles Treten nach unten und zur Seite umgeschlagen ist. Damit sie wenigstens irgendwas regulieren und zur Ordnung pfeifen können, tun sie's wenigstens mit den eigenen Leuten oder machen die Linke zur mobilen Umerziehungsanstalt. Dies ist als "Blitzableiter für Frust" ein vielleicht menschlich verständlicher Reflex, macht aber unsere Feinde und die Rechtspopulisten immer stärker.

 

Ein differenziertes Verhalten ist notwendig, weil es sowohl bei CDU, SPD, Bild (wie übrigens auch in allen Einrichtungen, gegen die wir streiten) innere Widersprüche und Unterschiede (etwa zu Krieg und TTIP) gibt, die wir vertiefen sollten, statt uns wegzuducken. Lasst uns "Finanzhaie, Bild und Spiegel" gemeinsam weiter "quälen". Mit unseren Demos. Und im September mit: "Die Linke" wählen!

 

Mit sozialistischen Grüßen
Diether Dehm