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Kategorie: Positionen

Nach der Löschung des BILD-Artikels über "den ersten Popstar im Bundestag" gab es eine Interviewanfrage des BILDblog, den wir nun dokumentieren.


Außerdem gab es in der JungenWelt und im Neuen Deutschland Artikel zum dem Phänomen der Selbstzensur.

Wann hat Frau Baldauf mit Ihnen gesprochen? Gab es einen aktuellen Grund?
Schon damals, als ich mit Günter Wallraff die Gegen-BILD-Stellen in verschiedenen Städten aufgebaut habe, gab es einzelne, wenige Bild-Redakteure, die fairer, vielleicht einfach spielerischer waren als die meisten anderen. Dazu zählte in meiner Zeit als niedersächsischer Landesvorsitzender der LINKEN auch Angi Baldauf. Als sie mir sagte, mich als Unterhaltungsautor und Sänger der Band Diadem nebst Liedern meiner cd "große liebe.reloaded" mal positiv ins Blatt bringen zu wollen, gab (und gibt!) es keinen Grund, ihr das nicht zu glauben.


Wissen Sie, ob der Text evtl. zunächst auch für die gedruckte "Bild" oder "Bild am Sonntag" geplant war?
Ja, aber niemals so lang.

Waren Sie vorher skeptisch, was ein Interview mit "Bild" anging? Waren Sie mit dem Artikel zufrieden?
Zwischen Bild und Spiegel sehe ich mittlerweile null strategische Divergenz. Beide Chefredaktionen sind brutal anti-antikapitalistisch. Bild und Spiegel sind für die Bankenmacht das, was die Propagandaabteilung der Stasi für die SED-Führung war, nur viel cleverer. Das heißt, dass LINKE bei Bild und Spiegel nur in Verbindung mit üblen Gerüchten ("Antisemiten", weil gegen israelischen Staatsterror, "machtgeile Stasi- und Terrorismus-Anbeter", neiderweckende "Staatskneteabzocker" oder so) ins Blatt dürfen. Was an vernünftigen Konzepten zur Krisenüberwindung von LINKEN gedacht und vorgeschlagen wird, ist hingegen von der medialen Bildfläche zu tilgen, totzuschweigen. Wenn dann ein Beitrag in Bild erwähnt, dass ein LINKER wie ich richtig menschliche Eigenarten hat, und sogar, dass meine neue CD Leute mit Liebesliedern richtig zu begeistern vermag, reibe ich mir sicher zwar zuerst verdutzt die Augen, aber freue mich dann natürlich auch.

Haben Sie den Artikel in seiner ursprünglichen Form selbst online gesehen und wie haben Sie von der Löschung erfahren?
Klar kamen Samstagabend von überall her verwunderte Mails von Leuten, die ihren Augen nicht trauen wollten: wie konnte eine CD mit Liebesliedern (die auch ein paar lyrische Klänge für antifaschistische Partisanen und gegen Börsenhaie beinhalten), die noch dazu ein Linker wie Konstantin Wecker auf dem Cover zum Kauf empfiehlt, in Bild gelobt werden? 18 Stunden muss der freundliche Artikel von Angi Baldauf online gewesen sein. Dann wurde er rausgenommen. Ich glaube nicht von ihr.

Auf Ihrer Internetseite schreiben Sie über die Löschung: "Dann prasselte der Druck auf die Redaktion. Aus höchsten Kreisen von CDU, SPD, FDP usw. Die Bildspitze wurde zur Ordnung gerufen." Woher wissen Sie von diesem "Druck", wie genau hat er ausgesehen, haben Sie vielleicht sogar Beweise?
Diese Formulierungen auf meiner Internetseite habe nicht ich geschrieben, sondern ein Außenstehender. Dennoch: zwei Journalisten haben nun auch mir, allerdings unter Vorbehalt von Vertraulichkeit, aus den Fraktionsspitzen der drei Parteien Namen genannt, die ihres Wissens nach am Sonntag bei Bild "vorstellig geworden sind". Und dann hat da noch Erika Steinbach getwittert, Biermann hätte mich doch enttarnt, als Zwanzigjähriger vor 40 Jahren Ostagent gewesen zu sein und so ein Spion würde nun wegen Liebesliedern von Bild gelobt. Aber sie, "als Rechtsaußen", würde nie so gelobt, twitterte sie richtig beleidigt dem Internet-Journalisten einer großen Tageszeitung.

Haben Sie nach der Löschung Kontakt mit Bild.de oder Frau Baldauf aufgenommen, um den Grund der Löschung zu erfahren? Falls ja: Haben Sie eine Antwort erhalten?
Ja, kurz. Sie schien mir echt traurig zu sein. Irgendwie hatte sie wohl nicht gedacht, in so ein Wespennest gestochen zu haben. Es waren doch nur Liebeslieder. Und sie hatte ja doch schon bei so vielen FDP- CDU-, SPD-Größen menschelnde und menschliche Seiten beschrieben. Warum durfte sie das nicht wenigstens einmal auch bei einem LINKEN tun? Das ist aber nur mein Eindruck.

Hat diese Erfahrung mögliche Vorbehalte Ihrerseits gegenüber "Bild" bestätigt? Würden Sie "Bild" noch einmal ein Interview geben?
Ich gebe allen Zeitungen, außer faschistischen, Interviews, wenn ich die Originalzitate vor der Veröffentlichung zum Redigieren und zur Autorisierung vorgelegt bekomme. Da ist Bild genauso zu behandeln wie Spiegel oder die Madsack-Zeitungen (die übrigens noch nicht einmal eine bezahlte Anzeige von mir drucken wollten, NUR mit dem Zitat von Willy Brandt: "Krieg ist die ultima irratio"). Es ist nicht nur Bild, sondern das Gros der Verlagskonzerne, die LINKE nur skandalisiert in ihre Blätter lassen. Wir erleben gerade eine Auferstehung von Zensur a la McCarthy und Berlusconi, damit um Gotteswillen die Wut über die Zockerbanken in der Eurokrise nicht nach links geht. Das trifft dann sogar meine kleine, ziemlich unverdächtige Liebeslieder-CD, wo es in den letzten Tagen reihenweise Interviewzusagen an meine Promoter gab, die dann auf Druck von oben von den Redakteuren leise weinend wieder zurückgenommen werden mussten.