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Kategorie: Positionen

Liebe Genossinnen und Genossen,

als „EU-AG“, als Arbeitsgemeinschaft für die Angelegenheiten der Europäischen Union innerhalb der Bundestagsfraktion der Linken, wollen wir einmütig feststellen, dass wir an einem breiten pluralen Wahlprogramm gemeinsam interessiert sind. Wir sollten den Weg weiter beschreiten, mit gegenseitigen Diskriminierungen höchst sparsam umzugehen und die gemeinsamen rationalen Kerne der Debatte herauszuschälen. Niemand von uns ist antieuropäisch, es gibt auch keine Tendenzen, sich dem militaristischen Kurs der Großen Koalition anzunähern oder nationalistische Töne anzuschlagen. Wir haben auch nicht den Eindruck, dass die Basis und unsere Wählerinnen und Wähler Verständnis für solche Etikettierungen haben.

 europaparteitag

 

Wir sind Internationalisten, wissen aber, dass in nahezu allen Mitgliedstaaten der EU in das nationale Verfassungsrecht hinein gekämpfte soziale Standards und Antikriegspositionen nicht aufgegeben, sondern verteidigt werden müssen. Vor vierzig Jahren z. B. war die Nelkenrevolution in Portugal und davon übriggeblieben ist eine vergleichsweise progressive nationale Verfassung. Auf deren Grundlage hat jüngst der portugiesische Staatsgerichtshof die brutalsten Maßnahmen der „Troika“ für ungültig erklärt. Das hat mit „Zurück zum Nationalstaat“ oder Nationalismus nicht das Geringste zu tun, sondern wird gleichermaßen vom Linksblock als auch von den portugiesischen Kommunistinnen und Kommunisten begrüßt. Ähnliche Positionen gibt es in der italienischen Verfassung, in der griechischen und natürlich auch im deutschen Grundgesetz. Der antifaschistische Konsens, den diese Verfassungen ausdrücken, bezieht sich zwar in Portugal und in Deutschland auf unterschiedliche Zeiten, ist aber jedenfalls nicht Ausdruck einer neoliberalen Hegemonie, wie die Vertragsgrundlagen der EU. Die linke Kritik an diesen Vertragsgrundlagen und am weithin undemokratischen Institutionengefüge der EU ist auch Kernbestandteil der Europäischen Linken und ihrer Mitgliedsparteien.

 

Wir sind auch nicht der Meinung, dass es sich hier um eine Ost-West-Konfrontation handelt. In vielen europapolitischen Fragen gibt es strömungsübergreifende Gemeinsamkeiten, die sich sogar im Bundesausschuss bei der Wahl für die Partei der europäischen Linken deutlich manifestiert haben. Außerdem sind sogar Formulierungen aus dem alternativen Entwurf von Dehm/Gehrcke vom Landesverband Sachsen übernommen worden. Die einzige offene Frage, die uns zu Sorgen Anlass gibt, ist die gegenwärtig einseitige Reklamation von Positionen für die Europawahlliste. Hierbei sind wir der festen Überzeugung, dass Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, große Landesverbände (z. B. das größte deutsche Bundesland: NRW) und Arbeitsfelder wie Antimilitarismus, die im EU-Parlament erörtert werden, auch ihre wirkungsvollen Vertreter brauchen. Ein Alleinvertretungsanspruch einer Strömung oder eine entsprechende regionale Überdehnung kann diesen Wahlerfolg massiv beeinträchtigen. Deswegen werben wir auch hier für Pluralität und für Kandidatinnen und Kandidaten, die in die entsprechenden „roten Felder“ von Wählerinnen und Wählern hineinwirken können.

 

Diether Dehm, Andrej Hunko, Alexander Ulrich