Drucken
Kategorie: Fragen zur linken Hegemoniearbeit

Wolf Biermann hatte einst den Dichter und DDR-Minister Johannes R. Becher verhöhnt, die lyrischen Musen hätten ihn im Staatsamt verlassen. Seit der Stachel des Ex-Staatsfeinds Biermann dann selbst von erektiler Dysfunktion befallen und ihm jahrzehntelang keine starke Zeile mehr gelungen war, schlüpft dieser wieder ins markterprobte Opfergewand, als Staatsfeind wenigstens posthum: Mordanschläge der Stasi, abgehörte Telefone, Liebeskuppeleien und die ganzen anderen Schikanen "gingen im Westen lückenlos weiter" ("Warte nicht auf bessere Zeiten", Propyläen 2016, S.474).

 

Ossitzky Heft 6/2018Frühere Freunde hatten Biermann lange schon öffentlich gefragt: warum hatte er in der DDR statt Knast gute Geschäfte und das Staatsgehalt eines Regieassistenten erlaubt bekommen? Und sogar noch nach der Ausbürgerung zu besonderen Privatfeiern in die DDR zurückgedurft?

 

Der nekrophile Widerstandskämpfer musste also nach der Wende Frischblut-Beflecktes nachliefern. Dem Spiegel (5/92) tischte Biermann gleich mehrere Dutzend IMs auf, die ihm im Westen bereits aufgelauert hatten; dazu frisch aus der Gauckbehörde ein Stasi-Befehlsdokument voll "destruktiver Massnahmen", mit denen er nach der Ausbürgerung "zugrunde gerichtet werden sollte" ("Schaffung von Trunkenheit am Steuer, zielgerichtete Heranziehung zum Wehrdienst, falsche ärztliche Betreuung, Liebesverhältnisse zerstören, Störung der Telefonnummer…") Der Spiegel übernahm Biermanns Vorspiegelung dieser Stasi-Allmacht in der BRD ohne Gegenfragen.

 

Über mich verbreitete Biermann im Spiegel v. 29.4.1996, ich hätte damals auch zu diesem Stasi-Terrorkommando gehört und ihm dies sogar am 29. Mai 1988 an seinem Gartenteich "unter vier Augen und sechs Ohren" gestanden. (Die zwei Differenz-Ohren waren die seiner angeblich hinterm Teich versteckten Frau und Dauer-Zeugin). Gebeichtet hätte ich da, ihm 1976 meine "Dienste als Konzertmanager im Auftrag (!) der Staatssicherheit angeboten zu haben". Allerdings erinnerte ihn ein anderer Zeuge dann daran, dass er es selber war (und zwar auf Empfehlung von Günter Wallraff), der mich am 28. Dezember 1976 angerufen und, in tiefen Koordinationsnöten, darum gebeten hatte, sein Manager zu werden. Biermann bekam Angst vor einem Unterlassungs-Prozess und vermied diese infame Behauptung fürderhin.

 

Nicht einmal Gauck konnte in seiner Behörde meine angebliche MfS-Akte noch umfrisieren, womit bis heute zu lesen bleibt: das MfS hatte nicht mal einen blassen Dunst davon, dass ich am 8.3.1977 Biermanns Manager geworden war. Und Wallraff hatte, nach intensiver Aktenlektüre, dem SPD-Schiedsgericht (das das Stasi-Verfahren gegen mich 1996 darauf straflos einstellte) geschrieben: "Dehms einziger Führungsoffizier in diesen Jahren hiess Wolf Biermann". Heute mir eher peinlich, zumal Biermann selbst später oft genug getönt hatte, dass er nie zuvor mehr Schallplatten und mehr Geld verdient hatte, als in den 10 Jahren bei meiner Agentur. Mit der angeblichen Stasi-Kommandolage für Westdeutschland, "Biermann zugrunde zu richten", stimmte das viele Geld jedenfalls nicht überein.

 

Daraufhin fabulierte Biermann in der Biografie zu seinen Staatsfeierlichkeiten 2016 andere Dehm-Opfer herbei: "Auch Jürgen Fuchs misstraute nicht, als Dehm ihn und seine Familie einlud, in seinem Wochenendhäuschen die Ferien zu verbringen." ("Warte nicht…" S.475)

 

Aber es war Biermann selbst, der mir den gerade ausgebürgerten Fuchs in mein Wochendhaus "wegen den schönen Thüringer Wäldern dort, die der Jürgen so liebt" aufgedrängt hatte. Und Biermann hat später auch die zwei Sätze in der MfS-Akte darüber gelesen, womit die Stasi übrigens ihren Fahndungsbefehl gegen mich begründet hatte: ich sei "fest in den Kreisen der sogenannten demokratischen Linken in der BRD integriert… konnte nicht von der Richtigkeit der Massnahmen der DDR gegen Biermann überzeugt werden… Dies führte dazu, daß keine Erkenntnisse über… Fuchs, Jürgen, der sich 10 Tage... im Bauernhof…Adresse… aufhielt, erarbeitet werden konnten."(Abschlussbericht des Oberst Willmann, MfS Abt.XX/5). Einst zitierte Biermann Brechts Galilei wie folgt: "Wer die Wahrheit aber kennt und eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher".

 

Dann wurde der mittlerweile von der CSU in Kreuth umjubelte Biermann vom Scharfrichter im Opferschafspelz "zum Schmierenbühnen-Saint-Just, der sich glücklicherweise an Phrasen statt an Blut berauscht" (Helmuth Karasek, Spiegel 28/94). Denn Biermann meuchelt vorzugsweise frühere Freunde, Gönner und Laudatoren. Beispiel: Marcel Reich-Ranitzki. Kaum ein Literatur-Preis, den Biermann nicht dem Juroren und früheren Warschauer Widerstandsschreiber verdankt hatte. Gegen diesen nun "zitiert er genüsslich private Telefongespräche, liest aus einer Zeitung heraus, Reich-Ranicki sei womöglich als (polnischer) Spitzel in die BRD geschickt worden ... und der Gipfel: da Reich-Ranitzki seine, Biermanns, Übersetzung des Ghetto-Dichters Jitzchak Katzenelson nicht schätze, sei er vermutlich damals im Getto ein Kollaborateur gewesen" (Karasek).

 

Auch gegen seinen einstigen Gönner Jakob Moneta, dem er das Kölner Konzert des IG-Metall-Vorstands überhaupt verdankt hatte, fletschte Biermann nun die blendende Zahnkeramik: der mit DDR-Einreiseverbot belegte Trotzkist sei "schon immer heimlich ein Mitglied der stalinistischen Bande gewesen" (Spiegel, 12.11.01).

 

Aber Moneta konterte halböffentlich am 22.11.01 (was sich leider erst jetzt wiederfand). Ihm war nämlich aufgefallen, "wie oft Biermann in seinem Spiegel-Artikel seinen Mut hervorkehrt. Dass er zum Beispiel besonders scharfe Lieder im Osten all die Jahre gesungen und massenhaft verbreitet hatte…" Und Moneta fragte sich, wie es möglich war, dass er "im Gegensatz zu vielen anderen, die weniger scharf waren … und keineswegs massenhaft verbreiten konnten, keine Haftstrafen abbüßen musste…."

 

Und dann kam der prominente Gewerkschaftslinke auf einen von Biermann später in seinen Hof-Medien immer verdrehten Vorgang, bei dem meine damalige Freundin und ich dabei saßen. Moneta schreibt, seine Lebenspartnerin Sigi wollte Biermann damals nämlich wegen "eines Macho-Spruchs aus unserem Haus in Frankfurt schmeißen, als er… eines Abends erzählte, wie sehr er sich vor den Falten im Hals von Margot (= Biermanns Jugendfreundin Margot Honecker) ekelte… Mir jedoch ging langsam ein Licht auf, wieso sich Wolf Biermann unter der schützenden Hand von Margot Honecker soviel in der DDR herausnehmen konnte, ohne von Haft bedroht zu sein." Dann gab Jakob Moneta dem Liedermacher und dessen "lautem Bellen als Schoßhündchen der deutschen Rechten… einen Spruch aus meiner jiddischen Muttersprache auf den Weg: 'Nicht gedacht soll seiner werden.'"

 

Niemand weiss, was Biermann von oder mit Margot Honecker hatte, als sie ihn vor der Ausbürgerung in der Chausseestrasse 131 besuchte. Aber er selbst war es, der prahlte: mit ihrer Warnung vor dem Kölner Konzert und mit seiner intimen Sicht auf ihre Falten am Hals im Morgendämmern.

 

Biermann hat fast alle getäuscht. Die Imperialismusgegner, denen er kürzlich im Westen eröffnete, er hätte sich damals nur "aus Daffke Kommunist" genannt. Die Friedensbewegten, die der "Soldat, Soldat"-Sänger später in sämtliche NATO-Bombardements hetzen wollte. Die Antifaschisten, als er sich Erika Steinbach (die jetzt die AfD-Stiftung "Desiderius Erasmus" leitet) für deren Stasijagd als Kronzeuge an den Hals warf. Und apropos Hals: die nach liebeslyrischem Lob schmachtenden Frauen jeden Alters, die ihn zum Versteher neuen Typus verklärt hatten - bis zu seinem Ekel vor weiblichen Falten.

 

Auch Talent verschrumpelt, ach, beim Speichellecken. Wie bei Balzac das Chagrinleder. Und seit wann benötigt ein gemeiner Innenausstatter des Imperialismus auch Musen? Und wozu denn?

 

Diether Dehm