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Kategorie: Bundestag

Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Matthias W. Birkwald, Dr. Diether Dehm, Inge Höger, Andrej Hunko, Petra Pau, Martina Renner, Kersten Steinke, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE. (Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode)

Der seit April 2015 in Osnabrück eingetragene Verein Volkshilfe e.V. stellt sich nach außen hin als rein karitative Vereinigung dar. „Wir helfen da, wo Politik aufhört“, lautet das Motto des Vereins, der nach eigenen Angaben unter anderem Tauschbörsen für alte Kleidung und Spielsachen und Spendensammlungen für Obdachlose und Weihnachtssammlungen für bedürftige Familien organisiert. „Die Volkshilfe hat es sich zum Ziel gesetzt, dem deutschen Volke das Zusammengehörigkeitsgefühl wieder beizubringen, welches es in der heutigen Ellenbogengesellschaft leider verloren hat“, heißt es in einem Werbeflyer des Vereins, der nach eigenen Angaben dazu beitragen will, die „Schere zwischen Arm und Reich in unserem Volke wieder enger zusammenzuführen“ (zit. nach LOTTA https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/hilfe-nur-f-r-landsleute). Im Januar 2016 verteilten Aktivisten der Volkshilfe e.V. an Bahnhöfen Reizgasdosen an allein reisende deutsche Frauen zum Schutz vor vermeintlich drohenden Übergriffen durch Migranten (https://www.bnr.de/category/stichworte/volkshilfe-ev).

 

Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet Volkshilfe e.V. seit Juli 2015 im Rahmen einer Verdachtsfallbearbeitung. Nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom Februar 2016 setzt sich der Verein, der rund 30 Mitglieder haben soll, überwiegend aus ehemaligen Angehörigen der Autonomen Nationalisten Wallenhorst (ANW) zusammen. Zu den Vorstandsmitgliedern sowie weiteren bei der Gründungsversammlung anwesenden Personen liegen demnach staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität-rechts vor (http://www.mi.niedersachsen.de/aktuelles/presse_informationen/beantwortung-der-muendl-anfrage-der-gruenen-zum-osnabruecker-verein-volkshilfe-ev-141089.html). Erster Vorsitzender des Vereins ist der vormals in Münster wohnhafte Neonazi-Aktivist Achim Kemper, der zuvor bei den „Nationalen Sozialisten Münster“ (NaSoMs) aktiv war. Auch die anderen aus dem Raum Osnabrück stammenden Vorstandsmitglieder der Volkshilfe e.V. entstammen dem neonazistischen Milieu. Die oberflächlich karitative Ausrichtung des Vereins sei Teil einer rechten Graswurzelstrategie, bei der vermittels vermeintlich sozialer Betätigung an der gesellschaftlichen Basis versucht werde, Kontakt zu Bevölkerungsteilen zu knüpfen, die sich von politischen Parteien oder Organisationen nicht angesprochen fühlen, heißt es dazu in der antifaschistischen Zeitschrift LOTTA. Denn die angebotene Hilfe nur für deutsche „Landsleute“ gründet sich auf Ausschluss und Ausgrenzung anhand völkisch-nationalistischer Kriterien. (https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/hilfe-nur-f-r-landsleute).
Die Volkshilfe e.V. gibt auf Handzetteln an, über fünf Ortsgruppen in Osnabrück, dem Ruhrgebiet, Leer, Hagen und Gütersloh zu verfügen (http://www.nw.de/lokal/kreis_guetersloh/guetersloh/guetersloh/21687093_Rechter-Verein-verteilt-Handzettel-in-Guetersloh.html).

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Verein Volkshilfe e.V.?
2. Welche vom Verein Volkshilfe e.V. seit seiner Gründung ausgehenden Aktivitäten im Einzelnen sind der Bundesregierung bekannt?
3. Inwieweit sieht die Bundesregierung von der Betätigung des Vereins Volkshilfe e.V. und der von diesem Verein vertretenen Ideologie eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben oder eine sonst wie geartete Gefährdung für die demokratische Grundordnung ausgehen?
4. Wie viele Mitglieder gehören nach Kenntnis der Bundesregierung der Volkshilfe e.V. an?
a) Wie viele der Vorstandsmitglieder und einfachen Mitglieder gehörten vor ihrem Beitritt zur Volkshilfe e.V. welchen rechtsextremen Vereinigungen oder Bewegungen an?
b) Wie viele Vorstandsmitglieder und einfache Mitglieder gehören während ihrer Mitgliedschaft in der Volkshilfe e.V. welchen rechtsextremen Vereinigungen oder Bewegungen an?
c) Gegen wie viele Vorstandsmitglieder und einfache Mitglieder von Volkshilfe e.V. liegen staatsschutzpolizeiliche Erkenntnisse aus dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität – rechts vor?
5. Über wie viele und welche Ortsgruppen und Stützpunkte in welchen Orten und Bundesländern verfügt Volkshilfe e.V. nach Kenntnis der Bundesregierung?
6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine rechtsextremistische Betätigung von Vorstandsmitgliedern der Volkshilfe e.V. vor Gründung des Vereins und während ihrer Zeit als Vereinsvorstände?
7. Inwieweit stehen der Verein Volkshilfe e.V. oder einzelne seiner Vorstände nach Kenntnis der Bundesregierung in Kontakt zu rechtsextremen und neonazistischen Parteien und Organisationen (bitte Form des Kontaktes und Parteien/Organisationen benennen)?
8. Ist der Verein Volkshilfe e.V. nach Kenntnis der Bundesregierung bislang an kommunale oder Landesbehörden mit Anfragen nach Kooperation oder Förderung herangetreten und wenn ja, wann, an welche Behörden, mit welchen Anfragen und wie reagierten die jeweils angefragten Behörden?
9. Welche Landesämter für Verfassungsschutz beobachten die Volkshilfe e.V. nach Kenntnis der Bundesregierung?
10. War die Volkshilfe e.V. bereits Thema im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) und wenn ja, wann und in welchem Zusammenhang?
11. Inwieweit erkennt die Bundesregierung eine Strategie von Teilen der rechtsextremen Bewegung, ihre Ideologie über (scheinbar) karitative Betätigung zu verbreiten und durch eine solche Graswurzelstrategie neue Anhänger zu gewinnen?
12. Kennt die Bundesregierung weitere Parteien oder Vereinigungen, die sich unter dem Deckmantel (scheinbar) karitativer Aktivitäten rechtsextremistisch betätigten und wenn ja, welche?
13. Inwieweit konnten Rechtsextremisten bislang nach Kenntnis der Bundesregierung über ihre Strategie, durch (scheinbar) karitative Betätigung rechtsextreme Ideologie zu verbreiten und Anhänger zu gewinnen, Erfolge verbuchen?

 

Berlin, den […]

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion