Rede im Rahmen der Plenardebatte im Deutschen Bundestag zur Beratung des Haushalts des Ministeriums für Wirtschaft und Energie
Guten Morgen, Herr Präsident!
Sehr verehrte Damen und Herren!
Auch dieser Wirtschaftsminister offeriert - genauso wie schon Brüderle und Rösler - Exportüberschüsse als besonderen Ausdruck deutscher Tüchtigkeit. Sicher, wir haben tolle Erfinder, sieht man einmal von der Diesel-Gate-Software ab. Näheres dazu lässt sich im Dieter-Hallervorden-Song „Oh je, Vau Weh“ finden.
Aber verdammt noch mal, wenn unsere Arbeiter so tüchtig sind, dann müssen wir doch mit den Gewerkschaften für viel höhere Löhne kämpfen! Das predigte Helmut Schmidt zeitlebens. Wo sich Produktivität verzehnfacht, muss die Kaufkraft nachziehen. Sonst gerät die Volkswirtschaft in Rezession und Deflation. Das betrifft heute den gesamten Euro-Raum.
In Wahrheit stagnierten in den letzten 15 Jahren die Pro-Kopf-Reallöhne bei uns, während die Profite der Großkapitalisten um 70 Prozent explodiert sind. Deutsches Lohndumping, Steuerdumping und Kaputtsparen des Sozialstaats haben Exportprodukte und Arbeit so billig gemacht, dass Südeuropa nur noch mit Krediten überleben kann. Nur noch 50 Prozent der Beschäftigten arbeiten hierzulande unter Bedingungen eines Flächentarifvertrages. Die andere Hälfte der Beschäftigten hat heute ein Einkommen, das 17 Prozent unter dem des Jahres 2000 liegt.
8,6 Prozent der Erwerbstätigen leben unterhalb der Armutsgrenze. Unter den Erwerbslosen sind es sogar 69,3 Prozent, wesentlich mehr als in jedem anderen EU-Staat. Wohlgemerkt: Wir sind hier schlechter als Griechenland, Spanien und Bulgarien.
Die KfW bilanziert: Bei den Realinvestitionen kürzen Bundesregierung und Monopolkapitalisten gleichermaßen. Sie investieren mindestens 25 Prozent zu wenig in die Straßenerhaltung und die Infrastruktur. Die Kommunen können dank Schuldenbremse nicht einmal die Hälfte ihrer Hausaufgaben lösen. Laut DIW weist Deutschland seit 1999 eine addierte Investitionslücke von 1 Billion Euro auf. Der Trend der letzten 25 Jahre führt stracks in die Finanzspekulation. Noch 1991 flossen 40 Prozent des Kapitals in Maschinen und andere Güter der Realwirtschaft. Heute liegt der Wert bei unter 10 Prozent. Herr Gabriel, haben Sie nicht einmal das Wort „Finanzhaie“ plakatiert, und wollten Sie diese nicht ausrotten? Heute betreiben Sie eine ganze Finanzhaiaufzucht.
Am 22. Januar in Davos erlaubten Sie sich, Herr Gabriel, TTIP-Kritiker als hysterisch zu beschimpfen. Sie verzauberten die skeptische SPD-Basis mit dem Satz, alles habe Recht und Ordnung. Dazu nur zwei Urteile:
Erstens. Am 17. November entschied der Europäische Gerichtshof, dass die öffentliche Hand die Vergabe von Aufträgen von der Zahlung eines Mindestlohns abhängig machen darf. CETA jedoch, das Gesellenstück für TTIP, würde das alles außer Kraft setzen, schützt also nicht einmal europäisches Recht. Es ist ein Leichtes für US-Konzerne, in Kanada einen Briefkasten anzumelden und dann in Europa Armutslöhne zu zahlen.
Zweitens. Anfang November wurde Ecuador vom Schiedsgericht der Weltbank zur Zahlung von 1,1 Milliarden Dollar an den US-amerikanischen Ölkonzern Oxy verurteilt. Zwar erkannte das Gericht an, Oxy habe gegen ecuadorianisches Recht verstoßen, ging aber davon aus, dass die Firma durch den Staat benachteiligt wurde. Schöne neue Welt für Finanzhaie! Es ist diskriminierend, wenn mit TTIP und CETA Konzerne Staaten verklagen dürfen, aber demokratisch gewählte Regierungen niemals einen Konzern.
Wenn Profitsicherung demokratische Entscheidungen aushebelt, lieber Sigmar Gabriel, dann nannten wir das doch gemeinsam in unserer „Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken“ staatsmonopolistische Planwirtschaft, du in Goslar, ich in Hessen. Waren wir alle damals hysterisch?
In Hamburg hat der Senat die Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg aufgeweicht aus Angst vor einem Schiedsgericht. Die von der EU unterdrückte Bürgerinitiative gegen TTIP hat mittlerweile 3,4 Millionen Unterstützer - alle Hysteriker? -, davon 1 900 deutsche Mittelständler und Handwerker. Wer wie ich als Unternehmer im Internet unterzeichnen möchte: www.kmu-gegen-ttip.de.
Aber was der Konzernminister Gabriel heute vom Mittelstand hält, zeigen folgende Zahlen: Sein Gesamtetat umfasst 7,5 Milliarden Euro; davon gehen 1,6 Milliarden Euro an Konzerne, die Luft- und Raumfahrt betreiben und nebenbei auch ein bisschen Rüstung, der Mittelstand hingegen bekommt im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) gerade einmal läppische 538,5 Millionen Euro.
Abschließend noch ein Wort zum Umgang mit uns TTIP-Hysterikern. Sollten die Regierungschefs TTIP doch noch nicht als gemischtes Abkommen verabschieden, sodass nationale Parlamente nicht darüber abstimmen dürfen, werden wir Linke klagen. Den 250 000, die am 10. Oktober mit uns in Berlin demonstriert haben, sage ich: Wir werden immer mehr, und wir werden weiter kämpfen für fairen Handel. Um den Entwicklungshilfeminister Gerd Müller zu zitieren, der sagte: für fairen Handel statt Freihandel.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Hier die Rede in Multimedia.