Rede in der 184. Sitzung vom 09.10.2020TOP 10 Aktuelle Stunde zur Absage der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zwischen zwei Europäischen Räten sowie der Halbzeitbilanz der deutschen Ratspräsidentschaft

 

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Für uns Linke bleibt die zentrale Frage in der Krise: Wer zahlt die Zeche? Und wir sagen: Konzerne und Superreiche.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit einer Digitalsteuer und einer Finanztransaktionsteuer würden nicht nur Aktien, sondern auch Derivate, also diese großen Wettgeschäfte an der Börse, erfasst, damit endlich auch der Multimilliardär Jeff Bezos für die öffentliche Infrastruktur, die Straßen und vieles andere, das er, das Amazon benutzt, seinen Beitrag zahlen muss und damit Amazon - nebenbei bemerkt - endlich auch Verdi-Tariflöhne zahlt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Herr Altmaier weiter gegen diese Steuern für Superreiche bremst und Steuergerechtigkeit in der EU damit weiter abbaut, bekommt Europa nie seinen inneren Zusammenhalt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Seele eines Gemeinwesens heißt Sozialstaat und Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Johannes Schraps (SPD))

In dieser Woche kam die Meldung, dass die Superreichen in Deutschland ihr Vermögen während der Coronakrise von 500 auf 594 Milliarden Euro erhöhen konnten. Das ist eine Ohrfeige für alle, die wir für wirklich systemrelevant halten: die Krankenschwestern und die Pfleger zum Beispiel. Was sollen sie denn empfinden, wenn sie diese Nachricht hören?

(Beifall bei der LINKEN)

Währenddessen produzierten sich der Rechtspopulist Kurz und die geizigen Vier - also Österreich, Schweden, Dänemark und Niederlande - in unwürdigem Gezerre um den Wiederaufbaufonds. Am liebsten hätten sie Spanien, Italien und Portugal nur Kredite zugestanden.

(Beatrix von Storch (AfD): Unerhört! - Heike Hänsel (DIE LINKE): Wie die FDP!)

Es ist ideologisch verbohrt und kurzsichtig, dass eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts in eine Ratsarbeitsgruppe und damit auf die lange Bank geschoben wird, statt offensiv die Schuldenregeln zu überarbeiten. Die Schuldenbremse war Gift, ist Gift und bleibt Gift für jegliche wirtschaftliche Belebung.

(Beifall bei der LINKEN - Norbert Kleinwächter (AfD): Sozialismus ist Gift!)-

Sie kriegen gleich Ihr Fett auch noch ab. Warten Sie noch einen kleinen Moment.

Die Vorkommnisse rund um den schweinischen Ausbeuter Tönnies in diesem Jahr hätten der Bundesregierung mehr Druck machen müssen. Im Januar 2019 hat Hubertus Heil angekündigt: Ich werde den Aufbau von Mindestlohn- und Grundsicherungssystemen zum Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft … machen.

Dem stimmen wir zu. Aber das darf kein frommer Wunsch bleiben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein EU-weit koordinierter Mindestlohn wäre auch ein wesentlicher Beitrag zur Bewältigung der Coronakrise. Er würde die Menschen und die Länder widerstandsfähiger und die EU als transnationalen Verschiebebahnhof der Konzerne für Arbeitende und Arbeitsuchende endlich weniger attraktiv machen. Wer Arbeitsplätze ins Ausland verlegt oder - wie Klatten/Quandt, also BMW - Milliardendividenden ausschüttet, hat das Recht auf staatliche Unterstützung verloren und muss das Kurzarbeitergeld zurückzahlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Leni Breymaier (SPD))

Zum Schluss noch Folgendes an Frau Merkel, die nicht anwesend ist. Darum, dass sie sich mit dem völkisch-neoliberalen Orban rumschlagen muss, ist sie von unserer Seite nicht zu beneiden. Aber wann schmeißen Sie diesen Orban aus der EP-Parteifamilie endlich raus?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Petr Bystron (AfD): Andersdenkende ausschließen!)

Das wäre doch konsequent. Ich kann dem Kollegen Graf Lambsdorff an dieser Stelle nur zustimmen.

Retten kann man die europäische Integration nur, wenn man endlich den inneren Zusammenhalt mit der Mehrheit der Menschen erkämpft. Ich habe die Steuergerechtigkeit schon angesprochen. Wenn Sie VON DER AFD sagen: „Weg mit den alten Zöpfen“, dann bedeutet das, dass Sie ja aus dem Bundestag verschwinden würden. Das wäre ja dann Ihr Wunsch;

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

denn die AfD ist doch eine Partei, die immer mit dabei ist, wenn es darum geht, den Steuerverkürzern, denjenigen, die Steueroasen predigen, hier an diesem Rednerpult einen roten Teppich auszurollen.

(Lachen des Abg. Norbert Kleinwächter (AfD))

Sie sind doch immer bei den Steuerverkürzern dabei. Wie können Sie denn dann hier irgendeinen Satz FÜR Sozialstaat und FÜR Gemeinwesen sagen?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Retten kann man das nur mit dem sozialen Zusammenhalt, und dafür müssen die Krisengewinner zur Kasse gebeten werden: Amazon, Google, Klatten/Quandt, Facebook und Starbucks. Dafür muss auch endlich der Wirtschaftskrieg gegen Russland beendet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Auf Druck von Deutschland, meine Damen und Herren,

(Alexander Graf Lambsdorff (FDP): Das ist schon peinlich!)

macht die EU nichts gegen Erdogan, gegen illegale Bohrungen, gegen einen Krieg im Mittelmeer. Frau Leikert, hat die Kanzlerin dazu irgendetwas Belastbares im EU-Ausschuss gesagt? Kein Wort. Die europäische Solidarität war in der Coronakrise genauso ein Reinfall wie in der Flüchtlingskrise. Der europäische Tisch der Menschen - -

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Dehm, es ist spät geworden.

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Ich beende den Satz noch: Der europäische Tisch der Menschen muss von den Superreichen gedeckt werden. Der Zukunft zugewandt, Kollege SCHÄFER

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry (SPD)...)