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Kategorie: Reden

Hier geht es um die Ausübung nackter wirtschaftlicher Macht. Hier geht es darum, dass ein Teil der Wertschöpfung kleiner Unternehmen mittels rechtlicher Vormacht von großen Unternehmen angeeignet wird. Dagegen will die LINKE eine demokratische Bürokratiekontrolle.

 


Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Kleine und mittelständische Unternehmen stellen 79 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und 82 Prozent der Ausbildungsplätze. 99,7 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittlere; sie generieren aber nur 39 Prozent des Umsatzes. Ein Grund dafür ist, dass Schwarz-Gelb zwar sonntags vom Mittelstand redet, aber werktags an der Leine der Exportkonzerne trottet.
Wir brauchen nicht nur pauschal entbürokratisierende Maßnahmen - keinesfalls brauchen wir eine unbürokratische Milliardenhilfe für Banken! Was wir brauchen, ist: unbürokratischer Einsatz für mehr Binnennachfrage.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist das entscheidende Kraftpotenzial, das die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen.
Herr Wegner, auch wenn Sie sich hier gerühmt haben: Ein weiterer Nachteil bleibt der bürokratiebedingte Aufwand der KMU. Auf Kleinunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten entfallen pro Beschäftigten und Jahr 64 Stunden und 4 361 Euro an rein bürokratiebedingtem Aufwand.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Leider wahr!)

Das entspricht einer Steigerung um 25 Prozent seit 1994.
Bürokratismus kommt aber nicht nur von staatlichen Behörden wie einem Fiskus, der auch bei unverschuldeter Insolvenz immer noch viel zu stur exekutiert, nicht nur von der EU mit ihrer idiotischen Dienstleistungsrichtlinie, sondern diese bürokratische bzw. bürokratistische Bevormundung liegt auch an der Macht der Konzerne - vor allem der Banken und Versicherungskonzerne - gegenüber kleinen Unternehmen. Das fehlt im SPD-Antrag genauso wie im Koalitionsantrag.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Sie haben ja überhaupt keinen Antrag!)

Schauen Sie sich einmal die verschlüsselten Versicherungsbedingungen und die unterschiedlichen, fast gegensätzlichen Einkaufs- und Verkaufsbedingungen von Konzernen an. Hier geht es nicht nur um unnötig komplizierte formale Regelungen. Hier geht es um die Ausübung nackter wirtschaftlicher Macht. Hier geht es darum, dass ein Teil der Wertschöpfung kleiner Unternehmen mittels rechtlicher Vormacht von großen Unternehmen angeeignet wird. Dagegen will die LINKE eine demokratische Bürokratiekontrolle. Ich wiederhole: eine demokratische Bürokratiekontrolle.

(Beifall bei der LINKEN - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh! Oh! - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wollen Sie wirklich mit uns über Demokratie reden?)

Wir wollen die Überwachung und Einschränkung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht nur zum Schutz der Verbraucher, sondern auch zum Schutz der 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft sind.
Nehmen wir das Supply Chain Management in der Automobilbranche. Das ist eine reine Abwälzung der wesentlichen Produktionsschritte durch den auftraggebenden Großkonzern auf den mittelständischen Zulieferer, der den Druck seinerseits dann auf noch kleinere Zulieferer weitergibt. Dadurch entsteht ein Preisdruck, der an Existenzen nagt. Die Erpressung durch Konzerne, die darin zum Ausdruck kommt, dass Zulieferer Innovationen in großem Umfang vorfinanzieren müssen, was ihre eigene Finanzierungskraft übersteigt, gehört überwunden.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Genau! Alles verstaatlichen!)

Wenn dann der Auftraggeber die Zahlungen verzögert, geht wieder ein Zulieferer pleite.
Welche Bürokratie verlangen BMW und Daimler, bevor sie einen Reparaturbetrieb vor Ort lizenzieren! Die Produkte, die die Konzerntore verlassen, ob Pkws oder Monitore, sind häufig kurzlebig; ihre Lebensdauer übersteigt oft nur knapp die Garantiezeit. Die LINKE will darum eine Reparaturoffensive unbürokratischer Art. Konzerne müssen gezwungen werden - das ist dann nötige Bürokratie - wieder reparaturfreundlich zu produzieren, damit jeder Handwerker unbürokratisch reparieren kann,

(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE))

weniger Module weggeworfen werden, mehr Stoffe gespart und mehr Arbeitsplätze, auch in infrastrukturschwachen Regionen, geschaffen werden. Eine Reparaturoffensive ist für unser Handwerk das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Ulrich Kelber (SPD))

Das heißt: mehr Freiheit für Kleinunternehmen und weniger Freiheit für Konzerne und Banken. Das ist die Lösung, die die LINKE übrigens auch in ihrem Parteiprogramm festgeschrieben hat. Die LINKE ist so mittelstandsfreundlich wie keine andere Partei und setzt sich für kleine und mittlere Unternehmen ein.

(Beifall bei der LINKEN - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Was? Sie und Mittelstand? Da fallen mir ja die restlichen Haare aus!)

Es wäre jetzt naheliegend, auf die Banken und ihr Kerngeschäft zu verweisen. Wer einmal einen Kreditantrag bei einer großen privaten Bank ausgefüllt hat, weiß, was Bürokratismus ist. Das ist entwürdigend und hat nichts mit den Sonntagsreden zu tun, die Sie gelegentlich für KMU halten.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wir tun was dafür!)

Sparkassen und öffentliche Banken sind halt bessere Partner für das Handwerk und den Mittelstand - auf jeden Fall bessere Partner als die Ackermänner und die Deutsche Bank.

(Beifall bei der LINKEN)

Die LINKE verschließt nicht die Augen vor dem Bürokratismus. Hier ist sie die einzige Partei gegen bürokratisierende Konzerne und Großbanken. Sie schiebt das alles nicht nur auf die öffentliche Hand, auf den Staat. Es ist ja teilweise wohlfeil, wie Sie den Staat hier immer auf die Anklagebank setzen, als ob der Staat der einzige Produzent von Bürokratismus ist, während Sie die Konzerne und Großbanken dabei außen vor lassen.
Die LINKE will eine antimonopolistische Deregulierung. Das ist die Regulierung, die wir brauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eiserne Regeln für die Ackermänner und die Finanzmärkte, weniger Druck auf die kleinen und mittleren Unternehmen, das ist das Gebot der Stunde. Das hat durchaus mit Antikapitalismus zu tun, aber auch mit starken kleinen privaten Unternehmern, die wir wollen - übrigens auch im Sozialismus.

(Beifall bei der LINKEN - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Donnerwetter: Mittelstand und Sozialismus!)