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Kategorie: Reden

Rede im Deutschen Bundestag 01.07.2009 16.10 Uhr

 

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Meine Damen und Herren! Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Die Medien vom heutigen Tage wie Süddeutsche Zeitung, Handelsblatt und Welt sind eine einzige Ohrfeige für die Bundesregierung und für die Mehrheit des Bundestages. Ich zitiere aus der FAZ von heute:

Ein deutlicheres Attest ihrer Selbstentmündigung hätten die Parlamentarier kaum ausgestellt bekommen können.

Vom gespielten Jubel der Regierung ist die Rede. Sie hätte einen starken Stier kaufen wollen und von Karlsruhe eine kleine Kuh geliefert bekommen; jetzt jubiliere sie: Immerhin ein Rindvieh.

Hätte die Koalition die Rechte des Bundestages nicht abgewertet, Karlsruhe hätte die Rechte nicht aufwerten müssen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall)

Sie beschließen ein grundgesetzwidriges Gesetz, werden ertappt und ernennen sich zum Sieger.

Die Medien haben naturgemäß versucht, den Erfolg der Linken so klein wie möglich zu halten.

(Zurufe von der SPD)

Hinter den Medien stehen ja meist CDU/CSU, FDP und ein paar Finanzhaie. Aber immerhin hat Herr Professor Mayer, der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite und damit unser Gegner, heute Morgen im Ausschuss gesagt, künftige Oppositionsfraktionen müssten der Linken dankbar sein; denn unsere Klage habe die Minderheitenrechte im Deutschen Bundestag gestärkt, was gänzlich neu sei. Lieber Rainder, sollen wir uns jetzt darüber ärgern oder sollen wir uns darüber freuen, dass der gegnerische Prozessbevollmächtigte uns gesagt hat, durch uns seien die Minderheitenrechte gestärkt worden?

(Beifall)

Aufrüstung und Kriege ums Öl wurden zwar gestern nicht gestoppt, aber der widerwärtige Versuch - so steht es im Lissabon-Vertrag -, über den Einsatz der Bundeswehr in Brüssel zu entscheiden statt allein im Deutschen Bundestag.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist durch den Vorbehalt des Bundesverfassungsgerichtes gestoppt worden.

Der Neoliberalismus, der die Finanzkrise bewirkt hat, wurde nicht gestoppt. Aber das Gericht hat deutlich das Sozialstaatsprinzip betont, ausdrücklich gegen EU-Bürokratie und Europäischen Gerichtshof. Das Bundesverfassungsgericht betont: Wir sind und bleiben zuständig für den Schutz der Verfassungsidentität, zu der der Sozialstaat gehört. Auch diese soziale Würde des Menschen ist also nicht verhandelbar. Darüber ist jetzt klar entschieden worden.

(Beifall)

Also passen Sie nicht mehr im vorauseilenden Gehorsam Ihre Gesetze an den Neoliberalismus der EU an! Ich erwähne in diesem Zusammenhang das niedersächsische Vergabegesetz hinsichtlich öffentlicher Bauaufträge und nenne nur das Stichwort Rüffert-Urteil. Lassen Sie EuGH-Angriffe auf Volkswagen und auf die Tariflöhne nicht mehr zu, sondern streiten Sie mit den Gewerkschaften und klagen Sie vor dem Bundesverfassungsgericht! Seit gestern bietet sich die Gelegenheit förmlich an, dagegen zu klagen. Das sollte auch wahrgenommen werden.

(Beifall)

Der Bundestag ist nach dem Urteil zudem gehalten, sich mehr um internationale Verträge zu kümmern, die die Lebenssituation der Menschen unmittelbar betreffen. Das gilt vor allem für die neoliberalen Angriffe über die WTO auf die ärmsten Menschen auf allen Kontinenten.

Sollten die Menschen draußen erschrocken sein über die monströsen Schwächen, die der Bundesregierung und der Mehrheit des Bundestages attestiert worden sind, dann können sie in dieser Beziehung beruhigt sein: Sie haben eine starke Linke in den Deutschen Bundestag gewählt.

(Beifall)