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Kategorie: Reden

Zur ersten Beratung anlässlich der sogenannten "Begleitgesetze" zum Vertrag von Lissabon erklärte der europapolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Dr. Diether Dehm: LINKE hat Rechte des Parlaments gestärkt


Herr Präsident!
Herr Koschyk!
Liebe andere Kollegen!

Auch wenn es Ihnen vielleicht unangenehm ist, dass Sie unsere Vorschläge zum Thema Volksentscheide abgeschrieben haben

(Zuruf von der CDU/CSU: Dass ich nicht lache!)

und jetzt auf Distanz gehen müssen, muss betont werden:

Es war unsere Fraktion, die geklagt hat. Sie hätten sich ruhig einmal bei Herrn Gauweiler bedanken können. Sie haben ihn nämlich allein im Regen stehen lassen. Ihre Fraktion hat nicht geklagt. Aber jetzt ruhen Sie sich auf den Lorbeeren der Kläger aus.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Die CSU hat die Klage immer begrüßt!)

– Wir haben als Fraktion geklagt, und Herr Gauweiler hat geklagt. Die CSU-Fraktion hat nicht geklagt. Jetzt haben wir hier die Erfolge: die Stärkung des Bundestages. Man soll seinen eigenen Lügen, auch wenn die Regierungspropaganda sie immer wiederkäut, nicht glauben, auch nicht, wenn die für Regierungspropaganda sehr anfälligen Zeitungen Bild und Spiegel Ihnen ständig recht geben.

Wenn Sie behaupten, lieber Axel Schäfer, Frau Kaufmann hätte wegen großer innerlicher Zerwürfnisse unsere Partei verlassen, sage ich Ihnen: Sie hat mit ihren großen innerlichen Zerwürfnissen bei uns kandidiert, und erst, als sie nicht gewählt wurde, ist sie zu euch, zur SPD, gekommen – da kannte sie aber eure Umfrageergebnisse noch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Oppermann, auch Sie sollten etwas mehr bei der Wahrheit bleiben. Sie haben hier behauptet – ich zitiere wörtlich –, wir seien bei den Verhandlungen dabei gewesen, hätten aber nie etwas gesagt. Ich weiß nicht, wie oft Sie mit Ihrem Handy beschäftigt waren. Ich weiß nur eines: Einmal haben wir uns ganz direkt auseinandergesetzt. Da ging es nämlich darum, dass ich gesagt habe: Wir können nicht hinnehmen, dass bei dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union zur Informationspflicht der Bundesregierung in § 3 am Ende steht: Dies gilt nicht für Maßnahmen in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das geht nicht. Es ist mit uns nicht zu machen, dass Herr Berlusconi eher informiert wird als der Deutsche Bundestag. Das machen wir nicht mit. Dann haben Sie gesagt, Sie hätten gewusst, dass wir hier Widerspruch einlegen würden, und in vollem Bewusstsein, dass wir hier Widerspruch einlegen, hätten Sie das hineingeschrieben. So etwas macht man nicht, wenn man zusammenarbeiten will.

Ich bin dem Kollegen Steenblock dankbar, dass er gesagt hat, was Sache ist: Dies ist ein Tritt vor das Schienbein des Bundestages. Das hat Kollege Steenblock als Einzelner hier gesagt.

Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht auf unsere Klage hin erklärt, wir sind zuständig: Jawohl, jetzt kann der Betriebsrat von Volkswagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Europäischen Gerichtshof klagen. Wir werden das mit den Gewerkschaften kämpferisch – außerparlamentarisch und parlamentarisch – begleiten. Jawohl; jetzt kann gegen Tariflohndrückerei – Stichwort Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs – vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt werden. Das ist ein konkretes Ergebnis, das ist ein Erfolg, den wir sehen. Wir werden uns außerparlamentarisch und parlamentarisch mit Druck daran beteiligen.

Und natürlich kann jetzt auch gegen Militäreinsätze geklagt werden, viel eher als vor dieser Klage und vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Aber mit uns ist Ihr Herausnehmen der Maßnahmen der Verteidigungspolitik aus der Informationspflicht gegenüber dem Bundestag nicht zu machen.

Wenn Herr Genscher und Herr Fischer und 30 Hochschullehrer, die größtenteils den Parteien, die die Regierungskoalition bilden, angehören, erklären, als Strafe für das Urteil müsse man jetzt die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts zusammenstreichen, frage ich: Ja was ist denn das für ein Verfassungsverständnis?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jörg Tauss [fraktionslos])

Das oberste deutsche Gericht fällt ein Urteil, und 30 Hochschullehrer, Herr Genscher und Herr Fischer fordern, zur Strafe müsse man die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts zusammenstutzen. Das geht nicht.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege – –

Ich komme zum Schluss, sage meinen letzten Satz.

Mit uns ist das nicht zu machen. In dem Spannungsfeld zwischen der Freiheit des Kapitals und der Menschenwürde – Art. 1 des Grundgesetzes – werden wir als Grundgesetzpartei immer bedingungslos dort sein, wo die Schwächeren sind,

(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Das ist ganz neu: Sie als Verfassungspartei!)

das heißt auf der Seite der Menschenwürde. Auch wenn die Freiheit des Kapitals über Brüssel, über den EuGH oder die Europäische Union kommt: Wir werden Widerstand leisten, wo die Interessen der sozial und wirtschaftlich Schwächeren dieser Gesellschaft bedroht werden.

Dabei bleiben wir.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)