Der niedersächsische Landesvorsitzende der Linkspartei will den
„Regierungswechsel" bei der Landtagswahl im Januar 2008 erreichen. Eine
Koalition mit SPD und Grünen peilt er jedoch nicht an.
Im Gespräch: Diether Dehm
[Erschienen: Hannoversche Allgemeine Zeitung, S. 2 am 2.Juni 2007]
von: Klaus Wallbaum
Ohne die Linkspartei, betont Diether Dehm, „hat ein Politikwechsel
keine Chance". Aus eigener Kraft könnten SPD-Spitzenkandidat Wolfgang
Jüttner und die Grünen bei der Landtagswahl am 27. Januar keine
Mehrheit bekommen, glaubt er. „Aber wenn die Linkspartei im Landtag
ist, dann dürften CDU und FDP ihre unsoziale Politik nicht mehr
fortsetzen können. Erst dann sind überhaupt Alternativen vorstellbar."
Dehm, der bis in die neunziger Jahre aktives SPD-Mitglied in Frankfurt war und Jüttner aus gemeinsamen Juso-Zeiten kennt, unterbreitet gleichwohl bewusst kein Angebot: „Wir sehen uns nicht als Koalitionspartei. Dies wäre arrogant und unrealistisch." Mit der SPD sei momentan auch kein Regierungsbündnis möglich, weil die Partei „trotz der Standpunkte von Jüttner etwa zum Mindestlohn und zu Studiengebühren" auf Bundesebene „unsoziale Politik betreibe". Wenn die niedersächsische SPD für einen klaren Politikwechsel auf Landesebene stehe, „dann möchte ich vor der Wahl klar von Herrn Jüttner hören, dass er später die Große Koalition ausschließt". Dass die Linkspartei zur Wahl antritt, ist wahrscheinlich. Nach dem Erfolg der Bremen-Wahl, bei der sie 8,4 Prozent erreichte, und den jüngsten bundesweiten Umfragen, die sie bei zwölf Prozent sehen, erlebe die Partei einen kräftigen Zulauf an neuen Mitgliedern. Der Landesverband, den der Göttinger Dehm und Marianne König aus Osnabrück führen, zählt rund 1100 Mitglieder, in etwa gleicher Stärke ist die „Wahl- alternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) im Lande vertreten. Im Juni fusionieren beide Parteien auf Bundesebene, Anfang September dann auch in Niedersachsen.
Immerhin hat es die Linkspartei in Niedersachsen schwerer als andernorts. Bei der Landtagswahl vor vier Jahren blieb die sie unterhalb von einem Prozent, und auch bei der vergangenen Bundestagswahl, als die Linke überall gut abschnitt, erreichte man hierzulande nur 4,3 Prozent. „Wir sehen gute Chancen", betont Dehm und blickt gleichzeitig kritisch auf Umfrageinstitute, die die Linke stets zu niedrig einschätzten. „Mit Blick auf unsere Partei lügen die meisten Meinungsforscher gezielt", sagt er.
Die Linkspartei bemühe sich überall um gute Kontakte zu den Gewerkschaften und betone die sozialpolitische Kompetenz. Beispielhaft seien die kommunalpolitischen Verhältnisse im Rat der Stadt Oldenburg. CDU und Grüne einerseits, SPD, FDP und Bürgerbündnis andererseits haben keine Mehrheit und versuchen, die Vertreter der Linkspartei und ihren Fraktionssprecher Hans-Henning Adler zu überzeugen. „So etwas", sagt Dehm, „bedeutet Einfluss über Oppositionsarbeit. Das finde ich konstruktiv."
Vor allem in Gebieten, in denen die Bindung der Gewerkschaften an die SPD nachlasse, wachse das Gewicht der Linkspartei. Der Stopp der Privatisierung, die kostenfreie Bildungspolitik und die Bekämpfung der Armut sollen die Hauptthemen der Linkspartei im Wahlkampf sein. Dehm, der sich seit Jahren als Musik- und Kunstmanager betätigt, freier Autor ist und jüngst den Liebesroman „Bella Ciao" geschrieben hat, will auch befreundete Künstler zur Unterstützung mobilisieren. Konstantin Wecker und Tatort-Kommissar Peter Sodann haben schon zugesagt. Selbst wird Dehm jedoch nicht für den Landtag kandidieren. Er gehört seit 2005 dem Bundestag an.