Brüsseler Giftzähne
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- Kategorie: Presse 2005
Lafontaine und Wagenknecht warnen vor nahezu unveränderter EU- Dienstleistungsrichtlinie. Mehrheit im Europäischen Parlament ignoriert breite Ablehnung
http://www.jungewelt.de/2005/11-24/001.php
Klaus Fischer - 24.11.2005
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist nicht tot. Das nach dem früheren EU-Kommissar Frits Bolkestein benannte Papier droht nun im Januar doch vom Europäischen Parlament (EP) verabschiedet zu werden. »Im Kern wurde an Bolkestein nichts verändert«, warnte Oskar Lafontaine am Mittwoch in Berlin. Der Chef der Fraktion Die Linke im Bundestag hatte gemeinsam mit der Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht zu einer Pressekonferenz eingeladen, an der auch die Linkspartei-Abgeordneten Ulla Lötzer und Diether Dehm teilnahmen.
Der Richtlinienentwurf werde nach wie vor von der Mehrheit der EU-Bevölkerung abgelehnt und habe maßgeblich zum Nein gegen die EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden geführt, erklärte Lafontaine. Die Richtlinie sei auch in der jetzigen Form inakzeptabel und bedrohe in den Kernländern der EU die Existenz vieler Handwerksbetriebe.
Am Dienstag abend hatte der Binnenmarktausschuß des EP den Entwurf mit den Stimmen von Konservativen und Sozialdemokraten durchgewunken. Sahra Wagenknecht sah darin ein Zeichen, daß auch bei Bolkestein eine große Koalition droht. Sie machte nochmals die Position der Linken zum jetzigen Entwurf deutlich: Bolkestein sei bereits vom Ansatz her falsch. Das Konzept sei nur eine weitere neoliberale Reform, die nicht halten könne, was sie verspricht. Angeblich erwarte die EU-Kommission 500 000 neue Jobs von der Dienstleistungsrichtlinie. Doch das Beispiel aus anderen bereits deregulierten Wirtschaftsbereichen zeige, daß lediglich Arbeitsplätze vernichtet würden.
Sollte eine Dienstleistungsrichtlinie nicht verhindert werden können, gelte es, der jetzigen wenigstens die zwei schlimmsten Giftzähne zu ziehen, so Wagenknecht weiter. Sie nannte die Reichweite-Problematik – also für welche Sektoren die Richtlinie gelten soll, und das Herkunftslandsprinzip. Letzteres soll es Unternehmen gestatten, zu den Bedingungen des Landes, in dem die Firma registriert ist, EU-weit zu arbeiten. Um dies zu verhindern brauche es erneut kräftigen Widerstand.
Dies bekräftigte auch die Bundestagsabgeordnete Ulla Lötzer. Die Linke werde sich für die Rücknahme des Richtlinienentwurfes einsetzen und dazu u.a. in der ersten Bundestagssitzungswoche eine Große Anfrage einbringen, in der die neue Regierung »Farbe bekennen« und ihre Aktivitäten offenlegen müsse. Auch plane die Fraktion für Januar eine Anhörung mit Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Verbänden. Für den 14. Januar rufen die Bolkestein-Gegner zu einer erneuten Großdemonstration nach Strasbourg auf. Eine Woche später soll über die Dienstleistungsrichtlinie abgestimmt werden.