Delmenhorster Kreisblatt - Montag, 04. September 2006
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Abgeordneter der Linkspartei im Kerem

Delmenhorst (rh). Mit professioneller musikalischer Könnerschaft unterstrich der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm am Sonnabend im „Kerem“ an der Syker Straße sein Engagement für eine enge Verzahnung von Politik und Kultur. Vor lediglich zwei Dutzend Zuhörern stellte der Hannoveraner auf Einladung der Linken Alternative Delmenhorst (LAD) einige Stücke aus seiner aktuellen Brecht-Gemeinschafts-CD vor, die er aus Anlass des 50. Todestages des marxistischen Dichters produziert hat. „Daran haben sich auch CDU/CSU-Politiker wie Norbert Blüm und Peter Gauweiler sowie der Bundestagspräsident Norbert Lammert beteiligt“, freute sich Diether Dehm.
Der älteren Semestern noch unter dem Namen Lerryn als Liedermacher bekannte Abgeordnete garnierte seinen zweistündigen musikalischen Auftritt mit zahlreichen Eigenkompositionen aus mehreren Jahrzehnten, in denen er unverhohlen, zugleich aber musikalisch hübsch verpackt linke, antikapitalistische Grundposition zum Ausdruck brachte. „Für mich ist der 11. September ein politisches Schlüsseldatum“, bekannte der singende Bundestagsabgeordnete. Allerdings bezog er sich dabei nicht auf den Angriff auf die New Yorker Twin Towers, sondern auf das Jahr 1973, als in Chile mit massiver Unterstützung der USA gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Allende geputscht wurde. Mit seinem Song „Für Victor Jara“ erinnerte Diether Dehm an jenen chilenischen Volkssänger, dem Putschisten damals im Stadion von Santiago zunächst die Hände zerschlugen, bevor er ermordet wurde. „In Südamerika sind Volkssänger etwas anderes als bei uns Heino“, rückte der Politsänger seine Sicht der Verhältnisse zurecht.
In seinen zahlreichen Brecht-Songs, begleitet am Klavier von dem hervorragenden Halberstädter Pianisten Michael Letz, zeichnete Diether Dehm die politischen Umstände nach, die unter den deutschen Faschisten zunächst zur massiven Aggression nach Innen, etwa gegen „Judenhuren“, und später dann nach Außen, also in den Zweiten Weltkrieg, geführt hätten. „Ich würde viel lieber Liebeslieder singen“, bekannte der Politbarde, bevor er zusätzlich seine Version des Partisanen-Klassikers von „Bella Ciao“ zum Besten gab. „Es gibt einen gerechten Krieg“, unterstrich Dehm in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Vietkong-Kämpfer gegen die amerikanische Vietnam-Invasion.
Bis heute sind die Verhältnisse aus Dehms Sicht nicht so, dass man sich einfach ins Private zurückziehen könne und so singt er weiterhin engagiert für Grundwerte der Verfassung wie Presse- und Meinungsfreiheit oder ein unbeschränktes Streikrecht und Enteignungsmöglichkeiten des Großkapitals. „Mit unserem Grundgesetz ist eine andere Wirtschaftsordnung möglich“, zitierte der Links-Politiker einen seit Jahrzehnten gültigen Spruch des Bundesverfassungsgerichts. Kämpferisch beendete der Sänger sein Delmenhorst-Gastspiel mit der Brecht-Eisler-Hymne: „Vorwärts und nicht vergessen.“