2013-01-13 freiheitsliebeIn weniger als zwei Wochen wird in Niedersachsen gewählt, wir sprachen mit dem Bundestagsabgeordneten Diether Dehm über den Wahlkampf der niedersächsischen Linken und den Widerstand gegen Bankenmacht, Sozialabbau und Studiengebühren, sowie die Möglichkeiten einer Regierung mit Grünen und SPD.

 

Quelle: http://diefreiheitsliebe.de

 

 

Die Freiheitsliebe: Wofür steht die Linke im niedersächsischen Wahlkampf?

Diether Dehm: Wir stehen für einen Überlandesbezug, was heißt, eben nicht zu glauben, dass „über das Fleisch, das euch in der Küche fehlt … in der Küche entschieden“ würde, wie es Brecht in seinem Stück „Die Mutter“ einmal gesagt hat. Wir wissen, dass auf Bundesebene durch den Fiskalpakt über vergammelnde Schulen, die Privatisierung von Krankenhäusern und Studiengebühren entschieden wird. Wir stehen für einen nicht bornierten Begriff von Landespolitik.

Die Freiheitsliebe: Wie wird für die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger der Zusammenhang zwischen Landes- und Bundespolitik deutlich gemacht?

Diether Dehm: In einer Bundestagsrede habe ich deutlich gesagt, dass die Studiengebühren direkt wegfallen könnten, wenn man nur ein Bruchteil des Geldes, dass man der Deutschen Bank schenkt, in Bildung investierte. Wir machen deutlich, dass die niedersächsische Regierung es abgelehnt hat eine Steuer-CD zu kaufen, sie tut nichts gegen Steuerflucht – auch das ist ein Entzug von öffentlichen Geldern. Bei einer Pressekonferenz mit Sahra Wagenknecht haben wir gezeigt, dass der niedersächsische Haushalt ein Plus hätte, wenn Rot-Grün und die große Koalition (auf Bundesebene) in den letzten Jahren ihre Steuergeschenke für Reiche nicht durchgesetzt hätten. Wären diese Steuergeschenke nicht gemacht worden, bräuchten nun keine Gelder im Bildungs- und Sozialbereich gekürzt zu werden, Kürzungen die sich durch neue Steuergeschenke an Banken in Form von Fiskalpakt und ESM in den nächsten Jahren verschärfen. Wir machen es auch deutlich durch umgedichtete Weihnachtslieder( http://www.diether-dehm.de/images/stories/files/Antibankenweihnacht.pdf)

Morgen wieder spekulieren:
auf ‘ne Dürre, auf ‘nen Krieg.
Nur, wo Menschen hungern, frieren,
gibt es einen Preisauftrieb.
Alles Gute wird zu Geld,
solang‘ Merkel zu euch hält.

Oder durch ein Plakat von Arno Funke auf dem Mario Draghi zu sehen ist, auf einer Seite steht Europäische Zentralbank, auf der anderen Goldmann Sachs (er kommt von Goldmann Sachs), neben ihm am Roulette-Tisch stehen Ackermann und sein Nachfolger Jain von der Deutschen Bank, am Tisch sitzt auch noch die Bundeskanzlerin Angela Merkel und im Hintergrund kommt ein Mann mit einem Getränk, auf dessen Weste steht Service-Kraft und das ist Gabriel. Gabriel steht für die Politik der SPD, die im Bundestag zwar kritische Reden schwingt, aber trotzdem die Politik der Regierung mitträgt, ob nun beim ESM oder bei dem Patriot-Einsatz.

Die Freiheitsliebe: Du hast schon angesprochen, welche negativen Auswirkungen Fiskalpakt und ESM haben, den das Verfassungsgericht nur schwach kritisiert. Sieht DIE LINKE trotzdem Möglichkeiten dagegen vorzugehen?

Diether Dehm: Wenn wir klagen, zielt die Klage auch zu einem großen Teil auf das Bewusstsein der Bevölkerung. Das Bewusstsein kann sich nur äußern, wenn die Menschen in Bewegung kommen. Es ist ein großes Problem, dass es uns (Kirchen, Gewerkschaften, Sozialinitiativen) noch nicht gelungen ist, eine wirkliche Bewegung zu schaffen, die auch nur annähernd vergleichbar ist mit Spanien, Portugal, Griechenland oder Italien.
Das ist auch ein Grund, warum die Herrschenden versuchen Wahlen in den Winter zu legen, es ist immer sehr schwer, Menschen bei Schnee und Kälte zu mobilisieren und soziale Bewegungen dadurch schwächer und Materialschlachten wichtiger werden. Die Bundestagswahl wird in wärmeren Zeiten sein, bis dahin müssen wir deutlich machen, dass wir im Bundestag nur so stark sein können wie die Bewegungen auf der Straße.

Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten hat DIE LINKE, die Bewegungen aus dem Bundestag heraus zu unterstützen?

Diether Dehm: Wir können es machen wie beim ver.di-Streik, als wir mit Streikwesten im Bundestag waren und dann auch entfernt wurden, oder wie jetzt, wo vier unserer Abgeordneten sagen, dass sie keine Geldspende zahlen, sondern lieber den Prozess über „Castor Schottern“ führen wollen. Natürlich auch dadurch, dass wir im Bundestag oder in Talk-Shows mit Fakten und guten Reden auftreten und so Tatsachen offenbaren, die von den Mainstream-Medien unterdrückt werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle Parteien deutlich mehr Medienpräsenz haben als DIE LINKE , obwohl wir mit 11,9% in den Bundestag gewählt wurden.
Es ist ein regelrechter medialer Bürgerkrieg gegen die Linke.

Die Freiheitsliebe: Die Ignorierung der Linken durch die Medien ist bekannt, was versucht DIE LINKE zu unternehmen?

Diether Dehm: Das ist ein hässlicher Konflikt in der Linken. Wenn ich sage, dass wir einen großen Teil der Konzernmedien als unsere Feinde betrachten müssen, schreien einige auf und sagen, dass ich unsere eigenen Fehler ignoriere, diese lieber bei anderen suchen würde und tun so, als würde ich unsere Fehler nicht sehen.
Es ist aber ein ganz anderer Ansatz, ob ich weiß, dass staatliche Organe auf die Medien und DIE LINKE einwirken, indem sie uns von innen und außen bekämpfen. Ob ich weiß, sie tun viel mehr gegen uns als gegen die Neonazis. Bei diesen wird verheimlicht und vernachlässigt, während auf uns eingewirkt wird, damit wir nicht in den Medien vorkommen außer bei Skandalen. Jeder Einzelne von uns wird überwacht und das ist ein Skandal, wenn ParlamentarierInnen von Geheimdiensten überwacht werden, die eigentlich durch das Parlament überwacht werden sollen.

Wenn man das weiß, dann mietet man z. B. kleine Inserate im redaktionellen Bereich von Zeitungen und sagt dort, dass man überwacht und ignoriert wird. Man macht die Lesenden darauf aufmerksam, dass sie sich lieber auf unseren Homepages oder unabhängigen Seiten wie den „Nachdenkseiten“ informieren sollen. Wir machen darauf aufmerksam, dass wir brutal ausgegrenzt werden und versuchen den Menschen zu sagen, dass sie sich auf anderem Weg über uns informieren müssen.

Andere dagegen versuchen lieber große Werbung im Werbungsteil zu setzen, statt auf redaktionelle Inhalte im Redaktionsteil zu setzen und den „Guerillakampf“ zu führen. Man kann einen subversiven Ansatz haben und deutlich machen, dass man eine besondere Partei ist, die ignoriert wird, oder man hat den wenig zutreffenden Ansatz, dass wir eine ganz normale linke Partei sind.

Die Freiheitsliebe: Ist es in diesem Fall nicht falsch, wenn die Linke mit SPD und Grünen zusammenarbeiten will?

Diether Dehm: Es ist immer eine Frage, in welchen Fragen man zusammenarbeitet und mit wem man das Bündnis sucht. Wenn man mit der führenden Rechten zusammenarbeitet, dann ist falsch, wenn ich mit der linkeren Basis zusammenarbeite (der ich 33 Jahre angehörte), wenn man mit denen ein Bündnis sucht, ist die Situation eine andere.

Wenn wir mit der linken Basis ein Bündnis suchen, ein Bündnis in dem wir die Studiengebühren sofort abschaffen, wo wir eine klare Priorität auf soziale Politik statt auf Bankenhilfe setzen, dann hat man Gewerkschaften, die auch große Gemeinsamkeiten mit der SPD-Basis haben, auf seiner Seite.
Wenn wir unsere Forderungen mit der linken SPD-Basis und den Gewerkschaften durchsetzen können, dann sollten wir dies tun und schwarz-gelb absetzen, wie es sich die Bevölkerung wünscht.

Für uns linke Intellektuelle ist ein Personenwechsel etwas ganz anderes als ein Politikwechsel, für viele ist es aber dasselbe. Solange Bewegungen auf der Straße den Unterschied nicht deutlich machen, wird es immer den Druck geben, bei so etwas dabei sein zu müssen, wenn wir uns nicht ganz in Abseits stellen wollen.

Parlamentswahlen sind bürgerliche, Streiks proletarische Veranstaltungen, beides funktioniert völlig unterschiedlich. Bei einer Parlamentswahl ducken sich Gewerkschafterinnen und Proletarier häufig, da sie das Gefühl haben, sich den Umfragen und den Medien anpassen zu müssen.

Bei Streiks dagegen sind die Arbeitenden viel lauter und frecher, da wissen sie Bescheid und dort können bürgerliche Medien nicht so einwirken. Der Streik hat eine viel größere moralische Autonomie gegenüber so Blättern wie der Bildzeitung oder dem Spiegel als das Parlamentswahlen haben. Deswegen muss man wissen, dass es bei Wahlen Dinge gibt, die sich nicht so einfach aushebeln lassen, wenn es keine klassenkämpferische Bewegung gibt, an der es in Deutschland momentan fehlt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mit der Aussage „Wenn ihr die Linke wählt, wird sich das auf einen Regierungswechsel nicht auswirken.“ einen Blumentopf gewinnen können.

Die Freiheitsliebe: In welchen Bereichen wäre DIE LINKE bereit ,Kompromisse einzugehen, wenn es einen Regierungswechsel gibt?

Diether Dehm: Das wird nach der Wahl von einem außerparlamentarischen Ratschlag aus Gorleben- und Antiatombewegung, Attac, Gewerkschaften und anderen diskutiert. Meine Meinung ist, dass eine Linke immer dazu beitragen sollte, wenn es die Möglichkeit gibt, FDP und CDU abzuwählen, die am entschiedensten die Bankenmacht verteidigen.

Eine Koalition hängt vor allem von Haushaltsfragen ab, da muss man vor allem die Abschaffung der Studiengebühren und die Verstaatlichung von Krankenhäusern durchsetzen. Den Rest wird man mit dem Ratschlag, zu dem wir schon eingeladen haben, diskutieren müssen.

Ich erinnere mich wie Oskar Lafontaine im Bundestag gesagt hat: „Lieber Herr Gabriel, Sie könnten Morgen Bundeskanzler sein mit unseren Stimmen, wenn sie die Rente mit 65 wiedereinführen, dem Rückzug aus Afghanistan und der Abschaffung von Hartz IV zustimmen.“

Mit anderen Forderungen sagen wir dies auch in Niedersachen, für den Rest bin ich für öffentliche Verhandlungen. Bei den Verhandlungen kommt es auch darauf an, wie stark die Bewegung ist, wenn es eine linke Bewegung gibt, dann kann die Linke natürlich deutlich mehr durchsetzen, wenn nicht ist weniger drin.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Interview