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Kategorie: Presse

Interview mit Diether Dehm in junge Welt vom 31. Januar 2015:

Griechenland hat eine linke Regierung - der Syriza-Koalitionspartner Anel gilt allerdings als »rechtspopulistisch«. Hat Ihre »Europäische Linke« damit kein Problem?

Ein lösbares, solange Syriza den humanistischen Ton angibt. Die haben jetzt schon mehr geschafft als SPD und Grüne hierzulande: volle Staatsbürgerschaft für alle Migranten, die im Land geboren sind! Entwaffnung der Polizei bei Demos und Sportevents. Humanisierung des Strafvollzugs. Verschärfter Kampf gegen Faschisten. Daran ist doch nichts rechts!

 

Wie bewerten Sie die ersten Maßnahmen des neuen Kabinetts?

Hervorragend. Auch Sanktionen gegen Russland kriegen nun mehr Widerstand. Und: NATO-Einsätze brauchen ja Einstimmigkeit. Darum heizen jetzt Konzernmedien und Geheimdienste für Neuwahlen ein. Die Koalition mit Anel soll deren Brecheisen gegen unsere Solidarität werden. Also: aufgepasst!

 

Was hat die »Europäische Linke« kürzlich in Athen zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus gefordert?

Zum Beispiel die Entschädigung Griechenlands für die NS-Zwangsanleihen. Außerdem die Suche nach vergessenen KZ in Europa. Und Aufklärung! Die Propagandamaschine des Kapitals wird doch zum 8. Mai trommeln, Faschismus sei nur die Diktatur der Israel-Hasser, Homophoben und Stammtische. Dagegen sagt unser EL-Beschluss: »Faschismus hatte in Europa verschiedene Gesichter. Aber jeder Faschismus suchte Arbeiterorganisationen brutalst zu zerschlagen.«

António de Oliveira Salazar zum Beispiel, der faschistische Diktator von Portugal, hielt sein Land aus Hitlers Weltkrieg heraus. Der Italiener Benito Mussolini war bis 1943 wenig antisemitisch. Aber alle faschistischen Regimes waren antikommunistisch und gewerkschaftsfeindlich. Und wir dürfen nie zulassen, dass sich das Finanzkapital vom Faschismus freisprechen lässt.

 

Der EL-Beschluss erinnert an die Faschismusdefinition von Georgi Dimitroff aus dem Jahre 1935 ...

Ich werbe sehr für seine Definition, wonach Faschismus an der Staatsmacht die terroristischste Diktatur jener Teile des Finanzkapitals ist, die am meisten imperialistisch sind. Das war die Basis für diese Barbarei und hat auch Hausnummern: Harzburger Front, Krupp, Daimler, Deutsche Bank.

 

Die EL hatte zum 11. Januar zu einer Feierstunde in die Berliner Volksbühne eingeladen. Auf dem Plakat war ursprünglich von »kapitalistischer Barbarei« die Rede – das Attribut »kapitalistisch« wurde dann aber gestrichen. Warum?

Die EL organisiert dieses Treffen seit fünf Jahren gemeinsam mit dem Vorstand der Partei Die Linke. Da wurde wohl das Missverständnis befürchtet, Kapitalismus und Faschismus seien voll deckungsgleich. Aber Dimitroffs Hauptangriff auf eine Kapitalfraktion erschließt ja gerade neue Bündnispotentiale zur Verteidigung auch der bürgerlichen Demokratie, selbst gemeinsam mit nichtimperialistischen Unternehmern.

 

Wikipedia nennt Dimitroff einen »Verschwörungstheoretiker«.

Dieser Eintrag stammt von Cohn-Bendits Frankfurter Kumpel Gerd Koenen. Außerdem: Wikipedia wird ja auch technisch geschickt von der Adenauer-Stiftung und vom BND zur Desinformation genutzt. Bislang vor allem in Sachen Stasi und Antisemitismus. Und 2015 vermehrt gegen den roten Kern des Antifaschismus.

 

Und so etwas hat Einfluss auf Ihre Partei?

Ich hoffe, dass die Neigung zurückgeht, vor Shitstorms und Medienkampagnen einzuknicken, Antifaschismus müsse »antideutsch« sein. Das Finanzkapital hat immer seltener »völkisch«, sondern zunehmend supranational agiert. Um den Stammtisch und Rechtspopulisten muss durchaus gerungen werden. Die Linke braucht dazu schärfere, populäre Kritik an den USA und an einer EU der deutschen Konzerne. Aber Nazis gehören schlicht verboten.

Die Herrschenden haben Linke oft in Gemäßigte und Radikale gespalten. Wann spalten wir Demokraten endlich die Rechten? In solche, die vielleicht nur verschrobene Ansichten zur Heimat haben, gepaart mit Abstiegsängsten. Und Nazikader, die für Auschwitz stehen. 70 Jahre nach der Befreiung geht es um mehr Arbeitereinheit und um breitere Bündnisarbeit mit »prekarisierten«, aber auch mit bürgerlichen Milieus gegen Krieg und Faschismus.