Der PDS-Landesvorsitzende Dieter Dehm auf Ostfriesland-Tour. Eindrücke eines EZ-Redaktionsgespräches mit dem 55-Jährigen.

Von EZ-Redakteur KLAUS FACKERT
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Er schrieb Reden für Willy Brandt, saß für die SPD im Bundestag und kennt Joschka Fischer aus dessen wilden Frankfurter Zeiten. Nach dem Mauerfall managte er die ehemalige DDR-Eiskunstläuferin Katarina Witt, arbeitet zurzeit mit dem Schauspieler Peter Sodann und dem Liedermacher Konstantin Wecker zusammen. Er schrieb Lieder, die zu Ohrwürmern wurden, darunter "1000 mal berührt" und "Was wollen wir trinken sieben Tage lang".
Jetzt bastelt er mit am Linksbündnis aus PDS und WSAG: Dieter Dehm (55), Landesvorsitzender der PDS in Niedersachsen, ist nach Ostfriesland gekommen, um vor Ort die Allianz aus Postkommunisten und enttäuschten Ex-Sozialdemokraten voranzubringen. Die Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit, namentlich deren hiesiger Vorsitzender Hinrich Albrecht, sträubt sich beharrlich gegen das Zusammengehen.
Heimat für Linke
Dieter Dehm, 1975 zum Doktor phil. promoviert, ist neben Gregor Gysi die schillerndste Figur in der SED-Nachfolgepartei. Warum landet einer wie er, der einst Stellvertretender Bundesvorsitzender der 43 000 Unternehmer in der SPD war und, wie er zugibt, ein recht wohlhabender Mann ist, ausgerechnet bei der PDS? Es ist die Suche nach einer Heimat für Linke, die ihm die SPD schon lange nicht mehr bietet. Bei den Grünen möchte er auf keinen Fall mitmachen. Die mag er noch weniger als die FDP, und das will was heißen, denn Dehm hasst diese Partei, wie er im EZ-Redaktionsgespräch erklärt. Dass sich sein Hass gegen eine Partei richtet, die diesen Staat mit aufbaute, und dass er gleichzeitig einer Partei, die schon mal einen Staat zugrunde richtete, als Funktionär dient, scheint für ihn kein Widerspruch zu sein.
Möglicherweise wird Dehm in einigen Monaten wieder hautnah Kontakt zu denen bekommen, die er politisch bekämpft. Dann nämlich, wenn es dem Linksbündnis aus PDS und WASG gelinge sollte, bei der vorgezogenen Neuwahl in der Bundestag einzuziehen. Der PDS-Landesvorsitzende, der in seiner bewegten Karriere auch schon mal Bundesvize seiner Partei war, wird eventuell auf einem guten Listenplatz kandidieren.
Die Chancen für einen Einzug ins Parlament stehen zurzeit nicht schlecht, wenn man den Demoskopen glaubt - was Dehm im übrigen nicht tut. Die Meinungsforscher manipulieren ihm zu viel mit ihren Zahlen herum. Gleichwohl hält er es für wahrscheinlich, dass das Linksbündnis den Sprung in den Bundestag schaffen wird.
Beiläufig
Dieter Dehm ist ein Meister im "Name-dropping". So nennt man die Kunst, die Namen berühmter Persönlichkeiten eher beiläufig mit der eigenen Person in Verbindung zu bringen. Bei Dehm ist diese Beiläufigkeit sehr ausgeprägt. Der Hesse aus Frankfurt-Bornheim kennt sie alle, und im Verlaufe des Gespräches nennt er sie immer wieder. Sie umkränzen seine Aura: Peter Sodann, Konstantin Wecker, Katarina Witt, Udo Lindenberg, Klaus Lage und viele andere aus Kultur und Politik. Und natürlich "Oskar". Kürzlich etwa, und auch das erzählt er eher beiläufig, ist er mit Oskar im Auto nach Trier gefahren. Da kam im Radio die Nachricht, die PDS und Oskar Lafontaine stünden vor der Vereinigung. Das klang ein wenig besorgniserregend, so, als ob es die WASG gar nicht gäbe.
Zur Vita des Dieter Dehm gehören auch Brüche und Sprünge. Der Bruch mit der SPD vollzog sich Ende der neunziger Jahre, nachdem die Partei ihn mit einem Verfahren wegen angeblicher Ostspionage überzogen hatte. Auch in der PDS ging es für ihn mitunter turbulent zu. Als Parteivize wurden ihm Intrigen vorgeworfen, Gregor Gysi rügte an ihm "politisch-moralisch verwerfliches" Verhalten. Er galt als "Traditionalist", also das Gegenteil eines Reformers. Seine Parteimitgliedschaft stand auf der Kippe, doch er blieb. 2003 sah Dehm dann eine neue politische Zukunft in der Kommunalpolitik: Er kandidierte in Lörrach als Oberbürgermeister und bekam 17,7 Prozent.
Gegenwärtig agiert Dehm wieder an der kommunalen Basis. Es gilt, landauf landab die lokalen Widerstände gegen das Linksbündnis zu erörtern und, wenn möglich, zu beseitigen. Er, der einst gerichtlich gegen die "Bild"-Zeitung vorging, weil sie ihn als "roten Millionär" schmähte, will nun Millionen Stimmen mobilisieren - für das Bündnis aus PDS, WSAG, Oskar Lafontaine und - Dieter Dehm.