29.08.05 - Hannover
http://www.rf-news.de/rfnews/aktuell/Politik/article_html/News_Item.2005-08-30.1612

Hannover (Korrespondenz): Das war das Thema einer Open-Air-Podiumsdiskussion zum ersten Geburtstag der hannoverschen Montagsdemonstration. Neu war, dass eine große örtliche Tageszeitung unsere Ankündigung veröffentlichte. Bei strahlendem Sonnenschein blieben im Verlauf der 1 ½ Stunden zwischen 150 und 200 Leute stehen und hörten der Diskussion zu. Auf dem Podium waren vertreten: der parteilose Werner Schuren aus Winsen/Luhe vom Projekt Soziallotse. 2 Vertreterinnen des Frauenverbandes COURAGE. Von der Arbeitsloseninitiative Linden Frau ben Rabah, von der Linkspartei der niedersächsische Spitzenkandidat Diether Dehm sowie der Direktkandidat der MLPD in Hannover, Kurt Kleffel.
Vom Kreisverband der Bündnis90/Die Grünen war der Sozialdezernent der Region Hannover Erwin Jordan angekündigt. Dieser sagte aber in letzter Minute ab, weil er als „politischer Beamter“ im Wahlkampf nicht aktiv sein dürfe. Schade, dass er nicht einmal als Zuhörer teilnahm, denn da hätte er die Wirklichkeit von Hartz IV ungeschminkt zur Kenntnis nehmen können: die COURAGE-Frauen bezeichneten Hartz IV als extrem frauenfeindlich, weil die Frauen damit wieder an „Heim und Herd“ gefesselt werden sollen. Frau ben Rabah empörte sich darüber, dass die Menschen ständig aufgefordert werden, mehr „Kaufkraft“ in die Wirtschaft zu bringen, um diese anzukurbeln. Wovon, bitte schön, bei 150 Euro, die fürs Leben im Monat zur Verfügung stehen, soll denn Kaufkraft aufgebracht werden? Der Soziallotse W. Schuren berichtete von einem Fall, wo ein spastisch kranker Mann in einen 1-Euro-Job als Betreuer einer Jugendeinrichtung gezwungen werden sollte. Auf die Beschwerde hin ließ der „Fall-Manager“ wissen, er müsse eine entsprechende Menge „Fallzahlen erledigen“ und könne sich nicht um jeden Kleinkram kümmern.
Kurt Kleffel zerpflückte die Lüge, dass Hartz IV eine wirksame Reform zur Senkung der Arbeitslosigkeit und zur Sanierung der Gemeindefinanzen sei. Das wurde vom Kandidaten der Linkspartei Dieter Dehm ergänzt, der die gigantische Umverteilung der öffentlichen Haushalte in die Kassen der Großindustrie und Banken angriff. In der Diskussion mit dem Publikum war eine wichtige Frage, ob durch die Mehrbelastung der Konzerne diese nicht geradezu ins Ausland getrieben würden und dadurch noch mehr Arbeitsplätze verloren gingen. Dem wurde entgegengehalten, dass bereits jetzt die Subventionen z.B. durch die EU darauf zielen, die Verlagerung von Arbeitsplätzen zu finanzieren. Außerdem können wir unsere Forderungen nicht davon abhängig machen, wie die Kapitalisten darauf reagieren. Dann bräuchten wir auch keine höheren Löhne zu fordern. In dem Zusammenhang wurde auch die These auseinander genommen, die schon der SPD Kanzler Helmut Schmidt in 1980er Jahren aufgestellt hatte „Die Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze von morgen“ – das gerade Gegenteil war/ist der Fall. In der Diskussion wurde herausgearbeitet, dass die Regierungskrise von Schröder/Fischer maßgeblich mit auf die politisch selbständige Massenbewegung „Weg mit Hartz IV – das Volks sind wir!“ zurückgeht. Die regelmäßigen Montagsdemonstrationen und Kundgebungen sind die stärkste Waffe im Kampf gegen Hartz IV – in diesem Sinne wurde bereits für die nächste bundesweite Demonstration am 5. November in Berlin geworben. An Diether Dehm wurde die Frage gerichtet, wie denn die Linkspartei zur Frage „Weg mit Hartz IV“ steht. Er bekräftigte ausdrücklich, dass seine Partei zur Forderung nach vollständiger Rücknahme der Hartz-Gesetze steht. Das ist sehr zu begrüßen, wenngleich in seinem Redebeitrag dazu offen blieb, wie sich die grundlegende Ablehnung von Hartz IV mit der ebenfalls geforderten Anhebung des Regelsatzes vereinbart.
„Wir können richtig zufrieden sein mit dieser Diskussion – das gibt Kraft und Zuversicht für den weiteren Kampf“ Das war das Resumee, das wir vom Bündnis abends beim geselligen Zusammensein gezogen haben.