Drucken
Kategorie: Presse 2007

070201ddmitbrueckeffo_450.jpg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Clara, Das Magazin der Raktion DIE LINKE: im Deutschen Bundestag .
Nr.2 Seite 10 und 11

Diether Dehm gehört zu den Abgeordneten in der Linksfraktion, die seit Jahren für eine starke, geeinte deutsche Linke streiten. Dabei ist der europapolitische Sprecher der Fraktion kompromisslos, wenn es an die Umsetzung großer Ziele geht. „Europa muss ein Staatenverbund mit sozialer Kompetenz werden. Das Großkapital gehört dabei in die Kontrolle des Staates“, fordert er.


„Was ist das?“, fragt Diether Dehm, als er in das Taxi einsteigt. Auf dem kleinen Monitor ist der Ausschnitt einer Oper zu sehen und verschwindet, als sich das Fahrzeug in Bewegung setzt. „Das ist ja schön“, meint der Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion. Er zeigt nicht nur Interesse für Kultur, sondern lebt neben seinem Job als Politiker dafür. Im März bringt der Eulenspiegelverlag Dehms neues Buch „Bella ciao“ heraus. Und mit Musik hat er als Manager viele Jahre sein Geld verdient. „Ein Unternehmer in der Linksfraktion ist sicherlich selten. Ich bin ein Vollblutlinker und gleichzeitig war ich in der SPD der Bundesvorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen (AGS) und bin jetzt als Mitglied der Linkspartei der Dachverbandsvorsitzende des Unternehmerverbands OWUS“, sagt Diether Dehm.
Wieder einmal besucht er die einstige EU-Außengrenze in Frankfurt (Oder). Vom deutschen Oderufer aus blickt der Linke hinüber nach Polen. „Ja, es hat sich in Europa vieles verändert, nicht nur Grenzen“, sagt Diether Dehm.
Der Mann mit dem Künstler-Ego bezeichnet sich „entgegen meinem Image“ als konfliktscheuen Freigeist und möchte ständig Frieden stiften. Deshalb habe er so lange mit prominenten Künstlern und ihren Egos ausgehalten und vermitteln können. Zwischen den Akteuren, zwischen Künstlern und Fernsehanstalten oder Agenturen. „Von bestimmten Verhaltensweisen bin ich zutiefst irritiert. Das betrifft vor allem Intrigen, wie ich sie in der SPD kennen gelernt habe oder im deutschen Vereinswesen.“ Dabei gehe es meistens nur darum, dass sich eine Gruppe von mittelmäßig begabten Akteuren gegen vermeintlich Talentiertere, Extravagantere verbündet, um diese zur Strecke zu bringen. Diese Erfahrung habe sein Misstrauen zu jeder Form und Struktur von Vertretern aus Apparaten und Verwaltungen genährt.
Der Mann liebt die Kontraste und lebt für die Idee der Vergesellschaftung von Konzernen und Großbanken. Diether Dehm bezeichnet sich als Verfassungspatriot und beharrt auf der Anwendung des Artikels 15 im deutschen Grundgesetz. Danach können Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. „Über die Frage des strategischen Eigentums entscheidet sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa unsere Zukunft, die des Weltklimas, des Friedens und der Vollbeschäftigung. Was das Grundgesetz der Bundesrepublik zulässt, müssen wir auch einfordern.“ Der in Frankfurt am Main geborene Linke meint damit auch die klare Konsequenz: Verstaatlichung von Deutscher Bank, Telekom oder e-on. Derartiges habe bereits 1978 François Mitterrand in Frankreich angestrebt und sei nur knapp gescheitert. Auch die Japaner hätten mit der Verstaatlichung von Großbetrieben ihre Finanzkrise in der 90er Jahren überstanden. „Die Ablehnung des vorliegenden Entwurfs der EU-Verfassung mit der Zementierung neoliberaler Werte ist nur folgerichtig. Wir brauchen in Europa eine Alternative.“ Dazu habe bereits eine breite Diskussion unter Intellektuellen, Gewerkschaftern, vielen Sozialdemokraten und den Linken eingesetzt.
Von Brüssel und Straßburg aus werden inzwischen eine Reihe wichtiger Gesetze in Kraft gesetzt, weil verschiedene Regierungen das nicht machen wollen. „Die deutsche Regierung verschanzt sich hinter der Macht Brüssels, weil sie selbst zu feige ist, bestimmte Gesetze durchzusetzen. So kann die Plünderung der Portemonaies der kleinen und mittleren Verdiener auf die EU geschoben werden. Die neoliberalen Tricks müssen wir aufdecken und den Leuten erklären“, sagt Diether Dehm.
Europa steht eine wichtige, große Zeit bevor, ist sich der in Hessen ansässige Unternehmer sicher. Allerdings müsse gerade DIE LINKE. dabei immer wieder deutlich machen, dass die Interessen der kleinen Leute gewahrt bleiben. Mit der Gründung des neuen Europa nach der Katastrophe 1945 gab es zwei entscheidende Punkte, die bei der Entwicklung der EU eine maßgebliche Rolle spielten. „Zum einen gab es den Wunsch nach dauerhaftem Frieden. Zum anderen ging es um die Regulierung des Privateigentums aus der Erfahrung zwischen 1933 und 1945. Das Großkapital hat Hitler und Auschwitz vorfinanziert und von den Verbrechen profitiert.“ Deshalb sei gemäß Artikel 14 des Grundgesetzes die Sozialbindung des Eigentums zum Wohl der Allgemeinheit wichtiges Ziel auch für die deutschen Linken.
Was viele nicht mehr wissen oder wissen wollen, ist die Tatsache, dass die CDU in ihrem Ahlener Programm von 1947 und auch die SPD im Programm von Bad Godesberg sich zu diesen Zielen bekannten. „Nach dem Sieg über den realen Sozialismus ist bei den großen Parteien keine Rede mehr davon. Sie haben sich von der Sozialstaatlichkeit als einem zentralen Punkt des Grundgesetzes verabschiedet. Wir sind unter anderem auch deshalb als Fraktion angetreten, um dieses Thema in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu bringen.“
Mit dem Beitritt einstiger „Ostblockländer“ in die EU verschwand der Gedanke Dehms, das Eigentum als zentrales Thema für die nächsten Jahre anzugehen, erst recht nicht. „Ich kenne Konvertiten mit dem klassischen Satz: Ich habe 40 Jahre in der poststalinistischen Diktatur öffentliches Eigentum erlebt und will es nicht wieder erleben. Dazu fällt mir nur ein: ‚Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche’.“
Es gehe in den nächsten Monaten und Jahren deshalb für die Linken um die konkrete Beantwortung der Frage, wie ein neues Europa genau aussehen soll. Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen müsse gewahrt bleiben, ohne die sozialen Rechte in Frage zu stellen. „Wenn wir der EU immer größere Kompetenzen einräumen, dann nur unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeiterklasse, der Gewerkschaften, der kleinen und mittleren Unternehmen.“
Bestimmte nationale Traditionen in Kultur und Literatur dürften dabei in keinem Mitgliedsland untergepflügt werden. „So imprägnieren wir die Traditionen gegen konservative Nationalisten und rechte Rattenfänger.“