Zu »Was wollen wir trinken« antifa 11/12 2007
ANTIFA 01/02 2008


Um es gleich vorwegzunehmen: Wenn Uwe Hiksch seinen Beitrag über den Missbrauch linker Lieder durch Rechte mit der dreifach wiederholten Proklamation »Aufklärung, Aufklärung und noch mal Aufklärung« abschließt, so ist das so zeitlos richtig wie wirkungsarm.  Es klingt nach dem Aufklärungsbegriff eines Mainstream-Antifaschismus, den Ernst Bloch einst den »hilflosen Antifaschismus« genannt hat. Dieser läuft auf eine heile Insel linker Aufklärung gegen den Rest der Welt hinaus. Er greift nur immer konditionierend in die eigenen Reihen, ohne die von faschistischer Demagogie bedrohten, weil verführbaren Potenziale in deren verzweifeltmartialischer Selbstgefälligkeit ernsthaft zu »gefährden«. Zumal, wenn Uwe Hiksch in der Bundschuhbewegung, dem Bauernkrieg, den 48ern »tatsächliche Anknüpfungspunkte für Rechte« sieht. Hier ist zumindest Umsicht geboten, solange Medienmacher unterwegs sind, die z. B. die punktuelle Judenkritik von Karl Marx und Heinrich Heine zum »tatsächlichen Anknüpfungspunkt« ausdeuten für jenen Antisemitismus, der zu Auschwitz führte.
In Wirklichkeit sind die Traditionen des deutschen Kampfs von Florian Geyer bis Ludwig Borne gegen den nationalen Feudalismus ohne jegliche wahrhaftige Anknüpfungspunkte für Nazis. Der Kampf gegen herrschende Willkür war seit jeher nur eines: kämpferische Auflehnung gegen die jeweils allgegenwärtige Macht! Mit persönlichem Risiko, mit Berufsverbot und Genickschuss. Ohne Anspruch auf Hochachtung der eigenen Grazie durch die Nachwelt.
Wenn die Nazis tatsächlich Theodor Kramers »Andere, die das Land so sehr nicht liebten« singen, bei dem sie schlechterdings
seine jüdische Herkunft verleugnen und das Exil verdrängen, das er den Nazis »verdankt«, dann hätte also, in der Diktion von Uwe Hiksch, Theodor Kramer selbst »Ansatzpunkte für die Rechten« geliefert durch zu viel an »Nationalem« und zu wenig an »Emanzipation und Aufklärung«.
Aber möglicherweise zeigt es nur, wie sehr die Neonazis in ihrem Adaptionsopportunismus auf den Hund gekommen sind. Früher haben sie keine jüdischen Liedermacher gesungen, nicht mal Mendelssohn-Bartholdy zugelassen. Möglicherweise leuchtet ihr neonazistischer Stern noch martialisch, obwohl und während er seine Untauglichkeit als faschistisches Hegemoniekonzept mehr und mehr beweist, weswegen das Finanzkapital sich zunehmend anderer Hegemonievarianten anstelle des autark- bornierten Nationalismus-Konzepts bedient. Möglicherweise sind die Neoliberalen die neuen Herrenmenschen der Welt. »Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich dass sich nur solche Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können«, so der Vordenker des Casinokapitalismus von Hayek in der Wirtschaftswoche vom 6.3.1981. Nicht mehr Bezug zu Blut und Boden, sondern zum Kapital wird, auch subjektiv, zur Scheidelinie; »rechts und links« kommen zu sich: »oben und unten«! Und der Berlusconipartner, Fan der Militär-EU und in Tel Aviver Regierungsgebäuden gern gesehene Postfaschist Fini wird eher zum Typ der neuen transnational agierenden »terroristischen Diktatur der am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« und die künftigen Orte der KZs würden dann lateinamerikanische und asiatische Namen tragen. Wenn wir nicht dagegen, neu eingestellt, erfolgreich kämpfen.   

Dr. Diether Dehm