nd-logoDiether Dehm (Die LINKE) zum OWUS-Treffen vom 2. bis 4. Mai / Der 59-Jährige ist Vorsitzender von OWUS, dem linken Wirtschaftsverband kleiner und mittelständischer Unternehmen
http://www.neues-deutschland.de/artikel/147594.sind-linke-bessere-unternehmer.html


ND: Das Thema der Konferenz lautet: »Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung«. Helfen diese Vokabeln in der Krise?
Dehm: Allemal! Merkel und Steinbrück sparen bei öffentlicher Infrastruktur, hauen die Binnenkaufkraft weiter in die Knie. Steuerbegünstigtes Kreditdoping der Großspekulanten, Renten- und Lohnkürzungen, Hartz IV – das bleibt giftige Kehrseite der Exportweltmeisterei.

Trifft die Krise kleine und mittlere Unternehmer besonders?
5000 Entlassungen bei einem Konzern sind Schlagzeile, 1000 KMU-Konkurse mit je zehn Beschäftigten stehen im Kleingedruckten. Seit dem Vorjahr gibt es 23 Prozent Erlösrückgang im verarbeitenden Gewerbe. Unbezahlte Rechnungen führen zu unbezahlten Rechnungen. So entsteht ein unverschuldetes Insolvenz-Domino. Wir fordern hier Steuerstundung, Überbrückungs- und Dispokredite bei Minimalzins.

Helfen die Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung?
Die Abwrackprämie ist ein Strohfeuer. Autos, die bis 2012 gekauft würden, laufen jetzt nur vor der Bundestagswahl in die Bücher. Fürs neue Auto wird auf Pump gelebt und am Konsum gespart. Reparatur- und Zuliefererhandwerk geht in die Binsen, kann keine Löhne mehr auszahlen und steht mit Privatvermögen gerade – im Unterschied zur Milliardärin Schaeffler. Viele landen dann selbst in Hartz IV. Außerdem sollen Aufträge bis zu einer Million in Bau und Dienstleistung von den zuständigen Beamten jetzt »freihändig« vergeben werden. Das bringt Intransparenz und nur den Großen den Zuschlag.

Was ist das Besondere an den Kleinunternehmern, die an der Tagung teilnehmen?
Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Kleinunternehmen. Wir von OWUS wollen statt Abwrackprämie eine Offensive für das Reparaturhandwerk: eine Halbierung der Mehrwertsteuer, schnelle Start-up-Darlehen. Gleichzeitig müssen die Konzerne gesetzlich zur Reparaturfreundlichkeit gezwungen werden, statt Austausch. So entstehen Arbeitsplätze, wird Stoff gespart, Müll vermieden, das CO2 der Lkw-Schlangen gedrosselt.

Wie viele Unternehmen stehen für diese neuen Vorschläge?
Wir rechnen mit 150 Tagungsteilnehmern. Wir wollen deutlich machen, dass von links keine Gefahr kommt, sondern die nachhaltigeren Ideen für kleine und mittelständische Unternehmen. Wir haben im Moment eher ein Deflationsproblem. Steinbrück aber schwadroniert im Radio von Inflation. Das ist wie Menschen in einem brennenden Haus das Löschen zu verweigern, weil Überschwemmung droht. Die deutsche Regierung ist Hauptbremser einer EU-weit koordinierten Gegensteuerung. Der Nobelpreisträger Paul Krugman nannte die Kanzlerin darum »Miss Nein« und warf Steinbrück »Holzköpfigkeit« vor.

Eine radikale Einschätzung.
Klar. Die Krise frisst sich von oben nach unten durch. Die nächsten sind kleine und mittlere Unternehmen und ihre Arbeitsplätze. Die brauchen einen Schutzschirm! Der Arbeitsplatzeffekt eines staatlich ausgegebenen Euro ist nirgends so gering wie in Rüstung und Atomindustrie. Deswegen ist Abrüstung auch für die öffentlichen Kassen entscheidend.

Es geht also um konkrete Lösungen für die Praxis?
Ja. Wir müssen deutlich sagen, die Konzern- und Börsenherrschaft ruiniert euch, die schlaueren Vorschläge kommen von links.

Fragen: Grit Gernhardt