pete03Diether Dehm zum 90igsten Geburtstag von Pete Seeger: gesendet im Deutschlandradio Kultur, Politisches Feuilleton am 04.05.2009
Sein Haus in Beacon ist wie ein Museum für Prinzipienfestigkeit. Er muss immer noch über den Hof zu seinem Klo. Alles ist so, wie es Joschka Fischer und Wolf Biermann in der Zeit vor ihrer Propagierung der Bomben auf Belgrad, gern zur Schau gestellt hätten. Bei Pete Seeger nur eben ohne Show. Der Texter, Komponist, Bearbeiter und Sänger großer Gewerkschaftsliedern und Welthits wie "Sag mir wo die Blumen sind, Guantanamera, The Lion sleeps tonight, If I had a hammer" wohnt bescheiden am Rande des Staates New York beim Hudson River wie damals in den 50ger Jahren, als enthemmte Antikommunisten seine Autoscheiben durchschlugen, nach ihm und seiner schwangeren Frau mit Steinen warfen.

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Er gibt Rätsel auf: woher kommt diese Durchhaltekraft seit und gegen MacCartheys Berufsverbieter, unter den Genickschlägen der Medien-Blacklisters? Ohne konvertierter Kronzeuge der Konzernmedien oder prüder Sektirer geworden, weder von Macht geschluckt noch von Ohnmacht gefressen zu sein? Denn so sang er gegen Ausbeutung und für die Liebe zwischen seinen Brüdern und Schwester, nahm aus der Bibel, Prediger 1, 3-8 die Versöhnung: "Jegliches hat seine Zeit: Turn, Turn, Turn - a time for every purpose under heaven".

Sein „We Shall Overcome“ ist nicht rührselig, aber friedfertig. Wenn er Woody Guthrie’s „This land is Your land" sang, war das nie Blut-und-Boden-Tümelei, sondern die radikale Liebe, von der Maxim Gorki sagte: "Das heiligste sei der Mensch". Wir deutschen Liedermacher hallen oft nur in der Enge wider – und überlassen Kirche, Lagerfeuer, Festzelt und anderen öffentlichen Raum, wo Arbeiterklasse und Kleinbürgertum gegen Krieg und anderen Kapitalwahn zueinander finden „kampflos den Rechten“ (um Bloch zu variieren).

Die Christen wussten als Staatsmacht das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ aufzuwerten. Ein Vater setzt da seinem pflichtgetreuen Sohn jenen Heimgekehrten vor, der auswärts gehurt, gezecht und Geld verprasst hatte. Mit rauschendem Fest: denn einer hat sich umbesonnen. Die Kirche signalisierte so ihren bisherigen Feinden: Ihr habt uns den Löwen vorgeworfen, gekreuzigt, verbrannt, aber besinnt euch und wir werden euch behandeln, wie dieser Vater seinen "verlorenen Sohn".
Vergebung vertieft Hegemonie. Brecht sagte auf die Frage, was sein Lieblingsbuch sei: „Sie werden lachen: die Bibel.“. In seinem Stück „Die Mutter“ schreibt er in die Kantate „Über den Tod eines Genossen“: „Aber nicht einmal/die auf ihn schossen, waren andre als er/ und nicht ewig auch unbelehrbar.“ An anderer Stelle schreibt Brecht: „So übel sie euch auch mitspielen, gebt keinen euresgleichen auf!“.

Die Kapitalkritiker könnten angesichts der Krise früher als ihnen lieb, in eine hegemoniale Stellung eingefordert sein – nicht nur in den USA, wo der Rosa-Luxemburg-Anhänger Pete Seeger jetzt, begleitet von Bruce Springsteen, neben Obama bei dessen Amteinführung sang . Dann helfen den Linken weniger ihre zänkische Rasierklingenschärfe und vipernschnellen Zungen als die Warmherzigkeit eines Pete Seeger. Kein Material spaltet Menschen derart nachhaltig, wie Kapital. Dagegen bedarf es nachhaltiger Konsensarbeit unter den Betroffenen.

Pete Seeger hat in seinem Lebenswerk den Versöhnungsgedanken im Hegelschen Dreifach-Sinne aufgehoben. Das hat mit „Kinderglauben im Klassenkampf“ so wenig zu tun, wie bei Nelson Mandela, dem anderen alt gewordenen Jungen, der so weise wie unclever ist, bei seiner radikalen Menschenliebe geblieben zu sein. „Liebende sind talentiert“ sagt Tolstoi. So ist Pete Seeger beispielgebend in der Antikriegs- und Gewerkschaftsbewegung, wie unter den Künstlern.