Politik für den Mittelstand ist Politik gegen die Monopole
24.a) Erste Beratung CDU/CSU, SPD
2.Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse in der mittelständischen Wirtschaft
- Drs 16/4391 -
24.b) Beratung BeschlEmpf u Ber (9.A)
zum Antrag CDU/CSU, SPD
Neue Impulse für den Mittelstand
zum Antrag FDP
Unternehmen statt Unterlassen - Vorfahrt für den Mittelstand
- Drs 16/557, 16/562, 16/1070 -

 

Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brüderle, bei Ihnen habe ich manchmal den Eindruck, dass Sie zwar „Mittelstand“ sagen, aber eigentlich immer nur die Konzerne und Großbanken meinen.
(Jan Mücke (FDP): So ein Quatsch! - Martin Zeil (FDP): Da muss man aber ganz weit links sein, um diesen Eindruck zu bekommen!)
Das zeigt sich darin, dass Sie die Erbschaftsteuer abschaffen wollen. Wir als Linke sagen: Setzen Sie die Erbschaftsteuer rauf, aber erhöhen Sie den Freibetrag, damit es die Kleinen nicht und die Mittleren weniger trifft.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie aber wollen die Erbschaftsteuer ganz abschaffen und damit den Milliardären und Konzernen, den Großaktionären helfen. Dafür nehmen Sie das schön klingende Wort „Mittelstand“.


(Jan Mücke (FDP): Das glauben Sie ja selber nicht!)


Weder in der EU noch in Deutschland gibt es einen einheitlichen Mittelstand. 1 Prozent der Unternehmen sind Großunternehmen, 1 Prozent sind mittelständische Unternehmen. 7 Prozent der Unternehmen haben bis zu 49 Beschäftigte. 91 Prozent sind Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es geht um diese Klein- und Kleinstunternehmen. Herr Fuchs, ich weiß manchmal nicht, ob Sie nicht sehr einseitig nur mit einer bestimmten Kategorie von Unternehmern verkehren, wenn Sie sagen: Denen geht es so gut wie nie.  Haben Sie noch nicht erlebt, dass es vielen Unternehmerinnen und Unternehmern im Handwerksbereich in Deutschland manchmal schlechter geht als Arbeitnehmern und es einigen so geht wie Hartz-IV-Empfängern?


(Beifall bei der LINKEN  Widerspruch bei der CDU/CSU)


Haben Sie die Menschen noch nicht kennengelernt, die überschuldet sind, dann ein Unternehmen halten wollen? Das ist ein entscheidender Punkt, mit dem sich Bürokratieabbau auseinandersetzen muss. Bürokratieabbau darf nicht zum Wortnebel werden, hinter dem die Abhängigkeit der Kleinunternehmen von Konzernen ungehemmt noch weiter verschärft wird.


(Beifall bei der LINKEN - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich lach mich tot! Seit wann haben Sie den Mittelstand entdeckt?)


Nehmen Sie einmal die Auto- und Elektronikkonzerne. Wo bleibt die Reparaturfreundlichkeit? Es gibt kaum noch Reparaturmöglichkeiten. Fertigteile werden irgendwo hergestellt, über Autobahnen oder Schifffahrtswege ins regionale Handwerk gebracht. Versuchen Sie einmal, einen elektrischen Fensterheber reparieren zu lassen. Sie müssen gleich die Zentralverriegelung und die drei anderen Fensterheber mitreparieren lassen.


(Dr. Michael Bürsch (SPD): Ein neues Auto kaufen!)


Wir müssen per Gesetz die Konzerne zwingen, damit das Handwerk mehr Freiheiten hat.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer den Konzernen nicht Freiheiten nimmt, kann den Kleinunternehmerinnen und -unternehmern nicht Freiheiten geben.


(Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Habt ihr schon einmal etwas von Recht gehört?)


Nehmen Sie einmal die Abhängigkeit von den Großbanken. Haben Sie jemals versucht, als Kleinunternehmer ein Darlehen zu bekommen? Sie hätten da eine entwürdigende Bürokratie bei den Banken erleben können, auch bei den Sparkassen; denn auch diese stehen unter Druck, zum einen weil die öffentliche Hand dadurch, dass sich die Großbanken der Steuerpflicht entziehen, kaum Gelder mehr zur Verfügung stellen kann, zum anderen weil durch Basel II die Kreditvergabe so reglementiert wurde, dass man sagen kann: Ein Kleinunternehmer in Deutschland bekommt nur dann einen Kredit von einer Bank, wenn er ihr lückenlos nachweist, dass er keinen braucht.


Gerade die Kleinstunternehmer haben in den Bereichen der sozialen Sicherung ähnliche oder sogar identische Probleme und Interessen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das gilt für die Alterssicherung, für die Krankenversicherung und für die Absicherung im Fall der Arbeitsunfähigkeit.


Die FDP hat zehn Punkte aufgeschrieben. Diese nützen nicht den Interessen des Mittelstands, sondern zielen darauf, den abhängig Beschäftigten zu schaden: Die Forderungen nach betrieblichen Bündnissen, nach Abbau des Kündigungsschutzes und nach dem Verzicht auf gesetzliche Mindestlöhne wenden sich direkt gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften. Die Forderungen nach Privatisierung der Daseinsvorsorge und dem als Reform bezeichneten Abbau der öffentlichen Sozialversicherungen haben mittelbar dieselbe Stoßrichtung.


Als Unternehmer weiß ich: Nicht ideologische Sprüche und blumige Sonntagsreden helfen den Kleinunternehmen aus dem Joch der Energiekonzerne, der Großbanken und der turbokapitalistischen EU-Pleitemaschine namens Dienstleistungsrichtlinie und Neoliberalismus.


(Lachen bei der CDU/CSU und der SPD  Zuruf des Abg. Dr. Rainer Wend (SPD): Monopole)


Selbstverständlich hat auch in folgendem Punkt der Kollege Wend recht; ihm habe ich schon vorhin im Zusammenhang mit den Monopolen zugestimmt: Die große Mehrheit derjenigen, die zum Mittelstand gezählt werden, haben keinen wirklichen Nutzen von den Vorschlägen der Koalition und der FDP.


Wir sollten nicht Zwietracht zwischen den Kleinunternehmen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern säen, sondern mit gezielter Mehrwertsteuersenkung, mit gesetzlichen Mindestlöhnen, mit echten staatlichen Investitionsprogrammen dafür kämpfen, dass die Mehrheit der Menschen, die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Kleinunternehmer, wieder mehr Geld in die Hand bekommt, damit mittelständische Dienstleistungen und Produkte auch gekauft werden können.


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf Ihre Redezeit.


Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):


Ich komme zum Schluss.  Vereinfachte frische Kredite, aber vor allem ein kräftiger Kaufkraftzuwachs, das ist das, was die Mehrheit der Arbeitslosen, die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer und die Mehrheit des Mittelstandes dringend braucht.


Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN  Dr. Rainer Wend (SPD): Sie haben das antimonopolistische Bündnis vergessen! – Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Nein – gemeint!)