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Kategorie: Presse 2005
05.07.05
Peter Sodann tritt fürs Linksbündnis an/Oskar Lafontaine erstmalig in PDS-Zentrale

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=74389&IDC=16

Das Berliner Karl-Liebknecht-Haus stand gestern vor einer echten Herausforderung. Ein ehemaliger SPD-Vorsitzender und ein Fersehkommissar sorgten für einen beispiellosen Medienauftrieb in der PDS- Zentrale.
Berlin (ND-Oertel). Peter Sodann ist allerhand gewöhnt, was Kameras und Blitzlichtgewitter betrifft. Dennoch schien gestern »Tatort-Kommissar Ehrlicher« sichtlich verdutzt, als er sich den Weg zu den Mikrofonen bahnen musste, hinter denen schon eine Weile PDS-Vorsitzender Lothar Bisky und WASG-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine standen. Sodann sollte wohl den Überraschungsgast geben – eine Rolle, die er freilich seit Sonntagabend nicht mehr ganz so überraschend übernommen hatte. Und die ihm, wie der MDR gestern Nachmittag mitteilte, zunächst eine sechswöchige Bildschirmpause vor der Wahl einbringt.
Fernab üblicher Politrhetorik erläuterte der ostdeutsche Schauspieler und bis eben Hallenser Theaterchef, warum er sich entschlossen hat, als Spitzenkandidat in Sachsen einem Linksbündnis bei der kommenden Bundestagswahl zum Erfolg verhelfen zu wollen. »Wenn man es richtig betrachtet, war ich immer ein politisch denkender Mensch«, erklärte er – sprach vom Vater, dem KPD-Mitglied, von seinem freiwilligen SED-Eintritt, von DDR-kritischen Schlussfolgerungen aus der damals gültigen Definition, dass Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit sei, vom Kabarettprogramm, das ihm in der DDR nicht nur Parteiausschluss, sondern auch Gefängnisstrafe einbrachte. »Freiheit ist, sich für alles verantwortlich zu fühlen«, ist sich Sodann sicher. Auch, dass man dafür Farbe bekennen muss – und er sich nach Gesprächen mit Lothar Bisky und Gregor Gysi und während künstlerischer Zusammenarbeit mit Diether Dehm entschlossen habe, von der Theaterbühne auf die politische Bühne zu wechseln. »Was soll ich weiter sagen«, zuckte der 69-Jährige ein wenig hilflos mit den Schultern, fügte hinzu, dass er sicher mit dieser Entscheidung einige Freunde verloren habe – »aber dann waren es keine« – und vielleicht in der Linkspartei neue Freunde finden werde. Kurzum: Sodann bestätigte, was zuvor der PDS-Chef angekündigt hatte: »Sachsen kann diesmal Ehrlicher wählen.«
Zum Thema Ehrlichkeit hatte Lothar Bisky noch mehr zu bieten. Er wisse, was er seiner Partei abverlange, erklärte der PDS-Vorsitzende. Das neue Linksbündnis erfordere von den Mitgliedern Mut. Allerdings, so Bisky, hätten die demokratischen Sozialisten in den vergangenen 15 Jahren schon oft bewiesen, dass die PDS mit ihren Aufgaben wachse. Schließlich habe sie mit ihrer Praxis der offenen Listen eine besonders wichtige demokratische Leistung vollbracht. Noch nie habe eine Partei in Deutschland, so Bisky, schon vor ihrer Entstehung so viele Hoffnungen auf sich vereint, wie die Linkspartei. Der PDS-Vorsitzende zeigte sich optimistisch, dass seine Partei nach dem entschiedenen Votum der Wahlalternative am vergangenen Wochenende auf dem Parteitag am 17. Juli das Signal zum Aufbruch zur neuen Linken aufnehmen werde. Es gehe darum, dass die Wähler auf dem Wahlzettel eine soziale Alternative zu den neoliberalen Konzepten der anderen Bundestagsparteien vorfinden.
Oskar Lafontaine, der dritte im Bunde, der den Medienansturm anders als Peter Sodann genoss, nahm Biskys Plädoyer für das verstärkte Engagement des Linksbündnisses für das »gesellschaftliche Lebensmittel« Kultur auf. Die neue Linkskraft werde sich nicht nur politischer und ökonomischer Probleme annehmen, sondern in der Programmatik auch die besondere Bedeutung der Kultur berücksichtigen, erklärte der ehemalige SPD-Chef, der nun als WASG-Frontmann Kanzler Schröders Agenda 2010 den Kampf ansagt. Im Bundestag, so Lafontaine unter Bezug auf die politischen Programme von Union und SPD, sei keine Partei mehr vertreten, die Politik für Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner mache. Dafür sei eine linke Kraft notwendig – zöge sie nicht in den Bundestag ein, würde die Politik des Sozialabbaus fortgesetzt, weiß der offenbar aus Erfahrung klug gewordene Lafontaine. Ob er allerdings auch aus anderer misslicher Erfahrung jüngster Vergangenheit klug geworden ist, war gestern schwer auszumachen. Nach mehreren Nachfragen zu seiner umstrittenen Fremdarbeiter-Äußerung in Chemnitz gab der Saarländer schließlich zu Protokoll, zukünftig darauf achten zu wollen, »dass keine Missverständnisse entstehen«.