Berlin, den 14.02.2006

Zur morgigen Abstimmung des Europaparlaments über die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie erklärt der Bundestagsabgeordnete Dr. Diether Dehm, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:


Es genügt nicht, wenn Konservative und Sozialdemokraten im Europaparlament einen angeblich „sozial ausgewogenen Kompromiss“ vorgaukeln: Das Ziel einer sehr weitgehenden Deregulierung des Dienstleistungssektors ist auch in den neuen Vorschlägen ungebrochen enthalten, das „Herkunftslandprinzip“ wird – angesichts der massiven Protest – nunmehr unter dem neuen Namen „Dienstleistungsfreiheit“ durch die Hintertür eingebracht. Diese Tendenz wird durch die gestern abend getroffene Absprache zwischen Sozialdemokraten und Konservativen, nunmehr auch den Verbraucherschutz und die Sozialpolitik aus der Liste der Ausnahmebereiche, für die die Dienstleistungsrichtlinie nach Art. 16 nicht gelten soll, zu streichen. Zudem wird der Europäische Gerichtshof die bewusst vage gehaltenen Bestimmungen interpretieren müssen, was eine nachträgliche, erneute Verschärfung der Richtlinie durch die Rechtsprechung zur Folge haben kann. Klare Bestimmungen zur Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping sind ebenso wenig in der Richtlinie enthalten wie verbindliche Aussagen zur Zukunft der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Dies habe ich heute im Europaausschuss des Deutschen Bundestages habe ich daher Bundeswirtschaftsminister Michael Glos vorgehalten:
Sogar das Brüsseler Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages schreibt am 09. Februar: „Im dem zwischen den beiden großen EP-Fraktionen am heutigen Tag ausgehandelten Kompromiss wurde vereinbart, im Textentwurf der Richtlinie auf den Begriff des Herkunftslandprinzips zu verzichten und ihn durch den Begriff der "Dienstleistungsfreiheit" zu ersetzen. An dem mit diesem Prinzip beabsichtigen Ziel soll sich aber nichts ändern.“

Auch weiterhin werden unter dem Begriff Dienstleistung „alle selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeiten“ verstanden, „die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden (...)." Wie steht es um kommunale oder regionale Dienstleistungen, z. B. Ver- und Entsorger, Wasser- und Klärwerke, Kindergärten, Krankenhäuser, öffentliche Schwimmbäder, Volkshochschulen oder Universitäten? Für deren Dienstleistungen werden gewöhnlich Gebühren erhoben, also Entgelte. So wie der Begriff „Dienstleistungen“ in der Richtlinie definiert werden soll, wären offenbar auch große Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge vom EU-Wildwest-Wettbewerb betroffen.