Zu der Ankündigung der EU-Kommission, auch gegen ein nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung veränderten VW-Gesetz den Europäischen Gerichtshof anzurufen, erklärte der Europapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Dr. Diether Dehm: Durch die Urteile „Viking“ und „Laval“ hat der Europäische Gerichtshof das Streikrecht in den Ländern der EU in Frage gestellt, das Erfordernis der Tariftreue bei der Übernahme öffentlicher Aufträge im Rüffert-Urteil für rechtswidrig erklärt, schließlich in einem weiteren Urteil die sozialen Standards im Luxemburgischen Arbeitsrecht angegriffen. Bei dem Protest gegen diese Skandal-Urteile wurde häufig vergessen, dass der EuGH mit seinem Urteil vom 23. Oktober 2007 auch die konkrete sozialstaatliche Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung im VW-Gesetz in wichtigen Punkten zu Fall gebracht hat, einem Gesetz von 1960, dessen Vereinbarkeit mit EU-Recht Jahrzehnte lang nicht in Zweifel gezogen worden war.

Bei der Anpassung des Gesetzes an die EuGH-Rechtsprechung ist die Bundesregierung in ihrem Entwurf (Bundesrats-Drucksache 552/08) etwa im Gegensatz zu unserem Entwurf (Bundestags-Drucksache 16/8449) viel zu weit gegangen. Dennoch will die Kommission auch gegen eine solche eine Regelung vorgehen.

Ich fordere die Bundesregierung auf, nicht nur diesen angekündigten Eingriff der Kommission in die Sozialstaatlichkeit der Mitgliedsstaaten auf die Tagesordnung des nächsten europäischen Rats setzen zu lassen. Es muss prinzipiell darum gehen, Initiativen zu Ergänzung des Primärrechts der europäischen Union zu ergreifen. Die europäische Rechtsprechung muss gehindert werden, sich immer weiter vom Text der Verträge und dem politischen Willen der Mitgliedsstaaten zur sozialen Gestaltung Europas zu entfernen. Sonst bleibt künftig nur der Weg der Nichtbeachtung der Urteile des EuGH durch die Mitgliedsstaaten. Das könnte die EU insgesamt in Gefahr bringen.

Die Unternehmensmitbestimmung, die Sicherung von Arbeitsplätzen vor willkürlichen Stilllegungen und Verlagerungen stehen als Kernpunkte des Sozialstaats nicht zur Disposition. Sie stehen unter dem Schutz der Ewigkeitsklausel des Artikels 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Darauf ist gerade die Bundesregierung ohne Wenn und Aber verpflichtet.