Linken-Politiker Diether Dehm über sein Meisterwerk: Die Torhymne von Hoffenheim

Quelle: http://www.11freunde.de/bundesligen/149030?page=2
Interview: Erik Peter  Bild: Frank Schwarz

Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, Liedermacher und Musikproduzent erklärt, wie sein Lied »Was wollen wir trinken...« nach Hoffenheim kam, wie viel Geld er damit verdient und warum er als Kind auf dem Schoß von Herberger saß.



Diether Dehm, die TSG Hoffenheim verwendet den von Ihnen komponierten Song »Was wollen wir trinken...« als Tormusik. Drücken Sie Hoffenheim die Daumen?

Diether Dehm: Ich bin kein richtiger Hoffenheim-Fan, auch wenn ich für jedes Heimtor des Klubs 17 Cent an Tantiemen bekomme.

Sie sind also nicht enttäuscht, dass die TSG in dieser Saison erst 15 Tore in Heimspielen geschossen hat?

Diether Dehm: Nein. Bisher habe ich etwas über zwei Euro verdient. Aber selbst, wenn Sie mehr Tore hätten, würde das keinen großen Unterschied machen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Ihr Lied in Hoffenheim gespielt wird?

Diether Dehm: Offensichtlich hat Dietmar Hopp das Lied ins Herz geschlossen. Vielleicht weiß er nichts von meinen politischen Ansichten, und dass ich ihn als SAP-Chef gern enteignen würde.

Ihr Lied ist nicht nur ein Trinklied, sondern sogar politisch. Es geht um die Solidarität der Arbeiter. Hat man in Hoffenheim den Text nicht verstanden?

Diether Dehm: Das Lied läuft ja auf allen möglichen Partys und befindet sich auch auf CDs wie »20 rattenscharfe Partyhits«. Das ist das Schicksal eines Volksliedes, das quasi missverstanden werden muss. Es ist eines von vielen Beispielen von Liedern mit revolutionärem Ursprung, die später nicht mehr über ihr ursprünglich politisches Engagement hinauswachsen.

Wie ist die Entstehungsgeschichte des Liedes?

»7 Tage lang« haben Hans Sanders, der verstorbene Chef der »bots«, und ich zunächst die Drehleierversion von Alan Stivell in Popmusik transformiert, dann für »Rock gegen Rechts« anlässlich eines NPD-Parteitages in Frankfurt 1979 umgeschrieben. Das Lied sollte den Nazis unsere eigene Lebensfreude entgegensetzen. Ursprünglich basiert es auf einem uralten bretonischen Volkslied über den Cidre. Wir wollten ein antifaschistisches Trink- und Feierlied mit einem Hauch des Bauernmalers Brueghel.

Die TSG Hoffenheim gilt als ein kapitalistisches Kunstprodukt. Ärgert es Sie, dass Ihr Lied ausgerechnet dort gespielt wird?

Diether Dehm: Natürlich ist das ein bisschen ironisch, aber ich will doch nicht reglementieren, auf wen die Lebensfreude des Liedes überspringt. Ich glaube nicht, dass große Unterschiede zwischen Hoffenheim und Bayern München bestehen. Es gibt nur noch ganz wenige Vereine, bei denen man von Vereinskultur und nicht nur von Kommerzkultur sprechen kann. Ich denke da zum Beispiel an Werder Bremen. Die halten auch in schweren Zeiten an Trainer Thomas Schaaf fest, machen echte Jugend- und langfristige Kaderarbeit.

Sind Sie also Werder-Fan?

Diether Dehm: Schon, aber nicht ursprünglich, denn ich stamme aus Frankfurt. Für meinen Vater war Fußball eine Möglichkeit, zeitweise den armen Verhältnissen, aus denen er stammte, zu entfliehen. Er wurde Berufsfußballspieler beim FSV Frankfurt und Sepp Herberger, Helmut Schön und Bernd Trautmann wurden Freunde meiner Eltern. Es gibt wohl auch ein Foto, was zeigt, wie ich bei Sepp Herberger auf dem Schoß sitze. Später wurde mein Vater Vizepräsident des FSV. Mein zweiter Vorname ist Willi, benannt nach Willibald Kreß, ebenfalls ein ganz enger Freund unserer Familie, der Anfang der dreißiger Jahre Torhüter in Frankfurt und der deutschen Nationalmannschaft war. Das legendäre Bollwerk des FSV mit Willi Kress im Tor und meinem Vater Otto Dehm als linkem Verteidiger ist sogar heute noch bei Wikipedia vermerkt.

Die Affinität zum Fußball wurde Ihnen also in die Wiege gelegt.

Diether Dehm: Ja. Und die habe ich mir auch erhalten. In den achtziger Jahren war ich mit Petra Roth, der Frankfurter Oberbürgermeisterin, jahrelang im Verwaltungsrat des FSV Frankfurt. Mit meinem Weggang aus Hessen hat aber auch meine Verbindung zum FSV nachgelassen. Aber Fußballfan bin ich wie eh und je. Wenn es die Bundestagszeit zulässt, bin ich bei meinem Heimatverein VfL Eiterfeld, den ich auch finanziell etwas unterstütze und wo demnächst sogar linke Bandenwerbung hängt.

Waren Sie schon einmal im Stadion von Hoffenheim?

Diether Dehm: Ja, ich hatte in der Nähe ein Brecht-Konzert gegeben und war danach bei einem Spiel. Ich dachte, die freuen sich, wenn ich komme, aber irgendwie war man dort eher irritiert. Die Pressesprecherin meinte, der Präsident habe leider keine Zeit für mich, würde sich aber später bei mir melden. Das hat er jedoch nie getan. Aber: Wer nicht will, der hat schon.