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Kategorie: Bücher

bella ciaoBella Ciao
Als das Lied der Partisanen entstand …
Verlag: Das Neue Berlin; Auflage: 1 (März 2007) [Eulenspiegelverlag]
# ISBN-10: 3360012925
# ISBN-13: 978-3360012920
Zu beziehen über den Verlag und über jede guten Buchhandlung.

Als das Lied der Partisanen entstand …
Durch Italien, durchs Volk und selbst durch die Familien geht der Riß, der Faschisten und Partisanen trennt. Der antifaschistische Kampf wird nicht nur gegen Mussolini und die Deutschen geführt, sondern für die Zukunft Italiens. Von dieser hat der Dichter des Liedes »Bella ciao« seine eigene Vorstellung.



{denvideo http://www.diether-dehm.de/cms2/images/medien/bella_ciao.mp3}
[Track 2 der CD ADELANTE con Rosa, Brecht y Che]

Dies ist die Geschichte des unbekannten Dichters eines weltbekannten Liedes. Sie handelt von der Freundschaft zweier Jungen, die auseinanderbricht, als beide, von der Suche nach Gerechtigkeit getrieben, entgegengesetzte Wege einschlagen: der eine, Attila, geht zu den Schwarzhemden und läßt sich bedenkenlos auf die faschistischen Ideen ein; der andere, Renzo, schlägt sich auf die Seite der Partisanen im Ossola-Tal, vereint zwar mit ihnen im Kampf gegen die Faschisten, gern gesehen mit seiner dichterischen Begabung, aber mißtrauisch beäugt wegen seiner Auffassungen darüber, wie es weitergehen soll in Italien nach dem Sieg. Im tödlichen Kampf treffen Renzo und Attila aufeinander. Attila nimmt furchtbare Rache an Renzo, doch Mussolini vermag er nicht zu retten. Italien wird blutig befreit. Von den Opfern, die der Kampf forderte, erzählt auch Renzos Lied ...

Diether Dehm, geboren 1950 in Frankfurt am Main, Musikproduzent, Liedermacher und seit 2005 Bundestagsabgeordneter der Linkspartei. Seit 2003 Hochschullehrer in Fulda (Kulturmanagement) und seit 2005 Vorsitzender des Unternehmerverbandes OWUS. Dehm veröffentlichte über 600 Lieder, war Autor von Unterhaltungs- und Satire-Sendungen des Fernsehens und verfaßte Sachbücher zu pädagogischen, politischen und kulturellen Themen.



Clara, Ausgabe 6
Mit links gelesen
http://www.linksfraktion.de/publikationen_clara_artikel.php?artikel=2063549895

Diether Dehm: »Bella ciao«

von: Norbert Blüm

Diether Dehms Roman »Bella ciao« kann man als Berichterstattung über die Wirren eines Partisanenkrieges oder als zeitgeschichtliche Einführung in die Ideologie und Beweggründe norditalienischer Faschisten und Sozialisten lesen. Auch wer »runter an den Lago« fährt, kann das Buch als einen versteckten Reiseführer benutzen. Jede dieser Perspektiven vermittelt einen Wissensgewinn.
Ich lese den Roman als eine große Geschichte von der Liebe in grausamen Zeiten. Der Liebesschmerz entstammt dem Dilemma zwischen Liebe zum Nächsten, dem geliebten Kind, oder der Sorge für Menschen, deren Schutz man übernommen hat, entscheiden zu müssen.
Renzo und Guiseppe stellen sich nicht dem Kampf mit dem Faschisten Attila und seiner Horde, weil sie dadurch das Versteck verraten würden, in dem es »noch mehr Frauen und Kinder« gibt, und so stirbt als Geisel das Kind Carlo Antonio. Attila ertränkt es. Es ist das leibliche Kind von Renzo und das angenommene von Guiseppe.

Es ist die Wahl, zwischen Nächstenliebe und Solidarität mit Gefährten entscheiden zu müssen: eine Wahl ohne Alternative. Wie immer in der großen Literatur ist diese ethische Entscheidung nicht in einem Diskurs dargestellt, sondern in einer verwickelten Handlung.
Alle große Literatur kreist um die existenzielle Frage: »Was ist der Mensch?« Renzo beantwortet sie auf seine Weise: »Ein Mensch besteht doch zu aller erst aus Haut, Knochen und Muskeln und dann erst aus seinen schönen Gedanken.« Renzo, der Krüppel mit dem Buckel, widerlegt leibhaftig seine Ideologie, denn er wird trotz schlechter Haut, Knochen und Muskeln »zuerst« seiner schönen Seele wegen geliebt.

Der tragische Kern des Romans wird auf den ersten Blick nicht sichtbar, weil dieser Kern in einer Symbiose von Zeitgeschichte, Ideologie und Kriegsberichterstattung kunstvoll versteckt ist.



Diether Dehms Roman Bella ciao über Partisanen am Lago Maggiore


Von: Peter Sodann

Renzo Rizzi ist verwöhnter, eitler Sprössling einer reichen Familie im italienischen Tessin. Bei den Mädels hat er es, einer Verwachsung wegen, nicht so leicht wie sein schöner Freund Attila. Die wilde Dienstmagd der Eltern wird zu Renzos Traum. Attilas Rat: »Kauf sie dir doch!« wird zum monatelang verklemmt vorbereiteten Schachzug. Liebevoll wird erzählt, wie Anna danach den Spieß umdreht, sein nobles Zimmer betritt mit einer Olive auf dem Teller, in der eine winzige Knoblauchzehe steckt, wie sie ihm zulacht: »Zweimal in der Woche frisst meine Familie das hier ... Weil man damit die Medizin spart... Also, Mund auf! Sonst gibt's nichts... Das ist die Zehe der Vermählung. Mein Geruch wird jetzt Dein Geruch.« An Anna wird Renzo auch noch hängen, wenn sie gemeinsam als Partisanen durch die Alpentäler um den Lago Maggiore ziehen, Attila Faschistenchef der Region geworden und die deutsche Herrschaft über Oberitalien fast zu Ende ist.

Namen und vieles andere hat Diether Dehm bewusst mit Namen aus Bertoluccis berühmtem Film »1900« und aus Pasolinis »120 Tagen von Sodom« nachgezeichnet. Aber die Figuren der SS betreten die Geschichte nicht bereits als gemachte Folterer: »Attila fand zu einem wohligen Gefühl von Großmut für sein Gegenüber* bot dem Partisanen einen Grappa an. Da sah er Bruno das Glas herunterschütten, hastig, gierig, ohne Dank. ...mit dem ersten Schlag seiner Faust traf er das Glas in Brunos gefesselten Händen, sprang auf, um allem Aufgestauten freie Bahn zu lassen ...«
Renzo, längst populärer Poet, quält seine Eitelkeit, privilegierte Herkunft und seinen behinderten Körper, will von den Partisanen angenommen werden. Sein proletarischer Freund Giuseppe ist da der ganz andere Held. Renzos intellektuelle Eigenwilligkeit und Giuseppes unmittelbare Körperlichkeit faszinieren Anna fortan wie zwei Gegenpole. .
Die britische Befehlszentrale im Schweizer Tessin verspricht den Partisanen den Bau eines militärischen Brückenkopfs gegen die Wehrmacht und massive Waffenlieferung aus der Luft. Vorausgesetzt, die Partisanen begeben sich aus den schützenden Alpenbergen und erobern das Ossola-Tal zum Bau eines eigenen Flughafens. Renzo, zunächst von der italienischen Widerstandszentrale CLN in die Region entsandt, dies Unternehmen zu befördern und eine eigene Partisanenrepublik nordwestlich des Lago Maggiore zu errichten, entwickelt allmählich Zweifel an dieser Strategie. Er wirft den Angloamerikanern vor, die Partisanen aufreiben zu wollen, um in einem später befreiten Italien weniger roten Einfluss fürchten zu müssen. Aber sowohl die Faschisten als auch ein großer Teil der Partisanen brennen darauf, die Kräfte in offenen Schlachten zu messen, anstatt sich mit Nadelstichen der Partisanentaktik aus den Bergen zu begnügen. Anna verhöhnt Renzo, der wegen seiner Warnungen nun von mehreren Seiten mit Rufmord und Intrigen überzogen wird. Da entsteht Renzos Fassung des Volkslieds »Bella ciao«. Mehr Liebes und Abschiedslied und weniger heldenhaft als die uns bisher bekannte deutsche Übersetzung:

»... kann nicht gut schießen/
und krieg schnell Angst auch/
Bella ciao.../
Soll ich ein Held sein?/
Dem das gefällt? Nein!/
Verfluchter Krieg, verfluchter Feind!...
Nur noch den Kuss hier/
kommt einer nach mir/
Bella ciao .../
dem wünsch' ich Zeiten/
wo man so eine/ wie Dich nicht mehr verlassen muss.«

Über den Aufstand am Lago Maggiore hat Diether Dehm gedichtet und jahrelang recherchiert. Konstantin Wecker fragt im Umschlagtext, warum die Linke so wenig Abenteuerromane habe und sagt dann: »Dies hier ist ein Abenteuerroman - und ein linker!« Und ich kann dies ergänzen: Zwei Bücher in einem Buch zu lesen, ist schon eine Leistung. Ich habe anschließend feststellen müssen, nachdem ich mit den vielen Bildern ins Reine gekommen war: Du hast ja drei Bücher gelesen! Einen Abenteuerroman, einen Liebesroman, einen politischen Roman in einem außerordentlichen Geschichtsbuch. Mir hat das Buch gefallen. Es waren fast vierhundert Seiten, immerhin. Aber nur, wer den hohen Berg erklommen hat, sieht auch das schöne Tal.