ossietzkyRezension von Diether Dehm erschienen in Ossietzky
Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft - 14. November 2009 Nr. 23
http://www.sopos.org/aufsaetze/4b0289b7a3968/1.phtml

Stefan Bollinger hat Äußerungen herausragender Gestalten der Arbeiterbewegung zum Verhältnis zwischen Linken und Nation zusammengestellt. Bei der Auswahl der Autoren und ihrer Texte hatte er eine glückliche Hand. Da treffen wir auf Marx und Engels, auf Bebel, Kautsky, Luxemburg, Lenin, Stalin und Trotzki, auf Gramsci, Bauer und Renner, Ho Chi Minh, Mao Zedong, Radek, Abusch und Ackermann.

Für gelungen halte ich auch, wie Bollinger die Texte kapitelweise gruppiert: Die Internationalisten, Die Verfechter der Selbstbestimmung, Das Konzept der kulturellen Autonomie, Die linken Nationalisten, Sonderfall Linke und deutscher Faschismus.
Hilfreich schließlich die den Originalen vorangestellten kurzen Einführungen; sie enthalten sparsame Angaben über den jeweiligen Autor und über den Platz der jeweiligen Publikation in dessen theoretischem Werk oder politischem Handeln.
Dem Dank an Bollinger als Herausgeber sei die Freude am Publizisten hinzugefügt, der in seiner umfangreichen Einleitung klare Position bezieht: »Als Teil eines Kategoriensystems zur wissenschaftlichen Durchdringung des modernen Kapitalismus, in dem letztlich die wirtschaftlichen Strukturen, die Macht- und Eigentumsverhältnisse entscheidend sind, bleibt die Nation unerläßlich. Als wesentliches Kampffeld im antikapitalistischen und antiimperialistischen Kampf wird sie – trotz anderer Angebote: von der Region über die Europaidee bis zum Weltbürgertum – in den meisten Staaten wichtig bleiben.« Jede linke nationale Politik werde sich gegen Ausgrenzung und Privilegierung wenden, so wie rechts der Nationalismus auf Vor- und im Extremfall Weltmachtstellung orientiere.
Bollinger: »Linke Politik in der nationalen Frage kann nur eine Politik sein, die gegen jede Unterdrückung an- und für die internationalistische Solidarität aller Nationen und Nationalitäten eintritt.«
Insofern kann Kapital international und nationalistisch auftreten, die Emanzipation vom Kapital erfolgt internationalistisch und national.
Stefan Bollinger (Hg.): »Linke und Nation. Klassische Texte zu einer brisanten Frage«, Promedia Verlag Wien, 192 Seiten