Ausgerechnet die beiden linken "EU-Rebellen", Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke und der europapolitische Sprecher Diether Dehm, haben am Mittwoch eine parteiübergreifende Gesprächsrunde über Europapolitik gestartet. Und das nicht mit SPD-Hinterbänklern im Hinterzimmer, sondern mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Axel Schäfer im vollbesetzten Alwin-Brandes-Saal des IG-Metall-Hauses. Sahra Wagenknecht hatte kurzfristig abgesagt.

 

Wo die Linke "Militarismus" und einen gesetzlichen "Aufrüstungszwang" in Artikel 42 des EU-Vertrags sieht, nahm Schäfer die EU in Schutz: "Ihr überschätzt das in den Verträgen. Die EU bleibt ein Friedensprojekt." Allerdings müsse die Friedensbewegung aktiver werden. Als Mitarbeiter des Verdi-Bundesvorstandes forderte Ralf Krämer auf dem Podium für die Gewerkschaften eine "soziale Fortschrittsklausel": "In den Verträgen muss klar gestellt werden, dass soziale Rechte Vorrang vor den wirtschaftlichen Freiheiten des Kapitals im Binnenmarkt haben." Dehm ergänzte, in Portugal habe immerhin das Staatsgericht kürzlich auf der Grundlage des von der Nelkenrevolution erkämpften nationalen Verfassungsrechts die schlimmsten Troika-Massnahmen für unwirksam erklärt. Axel Schäfer hielt hier die EU-Verträge ebenfalls für ungenügend und gewerkschaftliche Kritik für berechtigt, auch an einigem, was die Troika beträfe.

 

Als Gehrcke dann unter großem Beifall Kritik am Koalitionsvertrag übte, der "an der Merkelschen Banken-Politik nichts ändern will", entgegnete Schäfer, er habe mitunter das Gefühl, die Linke sähe in der SPD "den Hauptfeind - wie in Weimar." Dehm hielt dem zwar auch "Feindseligkeiten aus der SPD-Führung gegen die Linke" entgegen, griff dies aber als Appell für weitere Verständigung unter Linken auf. So einigten sich die Podiumsteilnehmer am Ende eines im Ton heiteren in Inhalten streitbaren Abends auf die Fortsetzung solcher Gesprächsrunden.