Die junge Welt wird nicht dadurch noch röter und kostbarer, wenn sie DIE LINKE schwärzer malt und ihre marxistisch/gewerkschaftlich orientierten Strömungen noch vergeblicher. Der Hamburger Parteitag war mitnichten ein Durchziehen der "Reformer"! Ich habe zwar auch dem finalen Europawahlprogramm nicht auf dem Parteitag und nicht im Parteivorstand zugestimmt, möchte aber sehr deutlich sagen, dass gerade die scharfe Kritik der EU in Sachen Militarismus nicht zurückgenommen, sondern am Ende wieder hinein gestimmt werden konnte, wie auch weitere Teile des Alternativentwurfs von Wolfgang Gehrcke und mir. Meine ursprüngliche Formulierung, dass die EU ein militaristisches und neoliberales ...Regime ist, wurde durch meine folgende Formulierung ersetzt, die genau dasselbe besagt: "In ihrer bestehenden vertraglichen Verfasstheit und Politik ist die EU weder auf Frieden und Abrüstung ausgerichtet, noch auf soziale Gerechtigkeit. Nur starke außerparlamentarische Kämpfe und eine starke Linke in den Parlamenten können den Neustart schaffen: für ein friedliches, soziales, demokratisches und ökologisches Europa." Weder die "junge Welt", noch DIE LINKE, noch ich als Urheber beider Formulierungen sind so phantasielos, dass wir das Wort "militaristisch" nicht auch an Wahlkampf-Infoständen gelegentlich durch andere, z.B. die eben genannte Formulierung, ersetzen können. Das Wahlprogramm bleibt aber schwer leserlich und beinhaltet auch einige unüberlegte Formulierungen, doch das kommt in den besten Zeitungen und Parteiprogrammen gelegentlich vor.

 

Abgesehen davon wird ein Aspekt in der "jungen Welt" vernachlässigt: vor fünf Jahren gelang es den gewerkschaftlich-marxistischen Kräften innerhalb der Linken, noch bei tiefer Mitführung durch Oskar Lafontaine NICHT, mehr als zwei Vertreter ihrer Strömungen auf der Europaliste durchzusetzen. Damals hatten die westlichen Landesverbände in etwa gleich viele Delegierte wie die Ost-Landesverbände. Jetzt war dieses satzungsmäßige Privileg weggefallen und der Westen hatte in etwa 130 und der Osten 280 Parteitagsdelegierte. Nur wenige Vertreter der marxistischen und gewerkschaftlich orientierten Strömungen waren mit großer Hoffnung nach Hamburg gefahren. Nun ist das Ergebnis aber in der Summe dasselbe, dass nämlich die attac-Frau Sabine Lösing und Fabio di Masi (ein marxistischer Ökonom), durchgesetzt werden konnten. Auch sonst ist die Liste eher differenzierter geworden. Mich persönlich schmerzt, dass die konsequente Gewerkschafterin Sabine Wils, die in den Auseinandersetzungen um die Hafenrichtlinie eine herausragende Rolle gespielt hat, der Vertreter der Friedensbewegung Tobias Pflüger und andere talentierte Europapolitiker nicht durchgesetzt werden konnten. Aber weder gemessen am letzten Europaparteitag, noch an den Erwartungen, ist das Ergebnis eine Schwächung der marxistisch-gewerkschaftlich orientierten Strömungen.

 

Diether Dehm