Diether Dehm hat zum Thema TTIP auf EurActiv.de publiziert und wird dort vorgestellt und eingeleitet: Die Wirtschaftsvertreter der USA und der EU werden eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nicht in der Festschreibung höherwertiger qualitativer Richtlinien für Handel und Produktion erblicken, sondern in deren Angleichung nach unten. Der Druck richtet sich bei TTIP also sowohl nach außen, als auch nach innen, kommentiert der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Diether Dehm.

 

Erfreulich ist der Umstand, dass es mittlerweile gelungen ist, eine rege Debatte zu den Abkommen in der Öffentlichkeit zu haben. Bedenklich daran: das ist nicht das Verdienst von EU-Kommission und den nationalen Regierungen. Die Risiken, die sich hinter der harmlosen Formulierung der mit den Abkommen geplanten "Harmonisierung von Normen und Standards" verbergen, sind exemplarisch anhand des Chlorhühnchens, beim Genmais, Arbeitsrechten (Stichwort ILO-Kernnormen) oder dem Thema Fracking veranschaulicht worden. Darauf will ich nicht weiter eingehen. Ich finde es in diesem Zusammenhang wichtiger darüber nachzudenken, ob Freihandel überhaupt ein Mittel auf dem Weg zu einer gerechteren, nachhaltigeren und solidarischeren Weltwirtschaft sein kann.

 

Keine "Ansichtssache" aber sind die Konsequenzen für unsere politische Verfasstheit für den Fall, dass der sowohl in CETA, als auch TTIP geplante Investorenschutz nebst Schiedsgerichtsbarkeit eingeführt wird.

 

Kurze Geschichte zum Freihandel

Freihandel ist beileibe nichts Neues und seine Anfänge liegen in Großbritannien, dem Mutterland der industriellen Revolution. Dabei hatten die Engländer ihre Industrialisierung nicht geplant, sondern da die englischen Löhne im 18. Jahrhundert weltweit die höchsten waren und die englische Textilindustrie deswegen nicht mehr konkurrenzfähig, lohnte es sich erstmals, Maschinen einzusetzen. Damit stieg England zur Weltmacht auf.

 

Die folgenden Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte, standen die europäischen Nachbarstaaten und die USA vor der Herausforderung, diese technologische Revolution im eigenen Land nachzuvollziehen und den Rückstand aufzuholen. Das ihnen einzig mögliche Mittel, um diesen Vorsprung aufzuholen, waren Industriespionage und Protektionismus. Nicht Öffnung, sondern strikte Abschottung der eigenen Märkte gegen die Konkurrenz aus Großbritannien ermöglichte ihnen das Aufschließen.

 

An diesem kurzen geschichtlichen Exkurs wird deutlich, dass Freihandel einen Ansatz darstellt, der ausschließlich für weiter entwickelte Wirtschaftsräume vorteilhaft ist, mittels dessen Macht, Einfluss und Ressourcen gesichert werden soll(t)en. Diesem ausbeuterischen und unsozialen Instrument steht DIE LINKE ablehnend gegenüber. Weniger entwickelte Länder hatten und haben keine Chance, so sie ihre Märkte einmal geöffnet haben, den Rückstand aufzuholen.

 

Das Besondere an TTIP (und CETA)

Im konkreten Fall des TTIP sieht DIE LINKE allerdings eine neue Qualität, da sich hier mit der EU und den USA zwei entwickelte und einflussreiche Wirtschaftsblöcke zusammentun wollen, die in den vergangenen Jahren feststellen mussten, dass sie nicht mehr die alleinigen Kontrahenten im Kampf um wirtschaftliche Dominanz, Rohstoffe und Profite sind. Mit TTIP will man sich im Abwehrkampf verbünden, um die potentielle Konkurrenz auszuschalten, zumal man diese Abkommen der eigenen Bevölkerung im Windschatten der noch immer andauernden Krise als vermeintlichen und alternativlosen Königsweg aus der Misere anzupreisen sucht.

 

Da zwischen den beiden Vertragspartnern kein Machtgefälle besteht, kann der jeweils gewünschte Wettbewerbsvorteil nur durch Änderung der geltenden Regeln und Normen in der EU und den USA erzielt werden. Damit sind die vielfach im Munde geführten, bzw. als nicht-tarifäre Handelshemmnisse verklausulierten, Regeln für Produktzulassungen, Normen und Standards der einzig mögliche "Optimierungshebel".

 

Es ist absehbar, dass die Wirtschaftsvertreter beider Seiten eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nicht in der Festschreibung höherwertiger qualitativer Richtlinien für Handel und Produktion erblicken, sondern in deren Angleichung nach unten. Der Druck richtet sich bei TTIP also sowohl nach außen, als auch nach innen.

 

ISDS gegen Demokratie und Rechtsstaat

Die geplanten Schiedsverfahren vor extra-legalen Schiedsgerichten in TTIP und CETA reichen in ihrer Bedeutung weit über wirtschafts- und handelspolitische Fragen hinaus. Wenn es soweit kommt und ISDS in TTIP bleibt, bzw. CETA in dieser Form ratifiziert wird, haben wir meines Erachtens das postdemokratische Zeitalter hinter uns gelassen. Denn mit ISDS ordnet sich die Sphäre des Politischen endgültig ökonomischen Interessens- und Handlungskalkülen unter. Der Spielraum bei der Bestimmung von Allgemeinheitsinteressen zur Gestaltung unserer Gesellschaften, was die Aufgabe von Politik ist, würde sich darin erschöpfen auszuloten, welche Regelungsinhalte nicht den Partikularinteressen von Wirtschaftsteilnehmern entgegen laufen.

 

Bleibt es also bei der Konstruktion einer parallelen Schiedsgerichtsbarkeit für heute noch nicht absehbare Streitfälle (aufgrund unklarer Definitionen und Abgrenzungen) gegen Staaten mit ausgeprägten Rechtssystemen und Rechtsschutz für Unternehmen/Investoren, die nur ein exklusiver Kreis von Unternehmen anrufen kann, dann ist das Volk nicht mehr Souverän, sondern lediglich Absicherer von jeder noch so überzogenen oder unethischen Profiterwartung von großen Konzernen.

 

Diether Dehm