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Kategorie: Aktions Unterstützung

DIE LINKE hat eine Tendenz, alles zu definieren, alles zu kontrollieren und möglichst viel zu verbieten. Auf der Strecke bleiben unintellektuelle Glücksentwürfe und Bewegung, besonders Bewegungen sogenannter „normaler Menschen“. (sogar reale Körperbewegungen schließen unkontrollierbares mit ein!) Wenn es nach diesen Reinlichkeitsreflexen ginge, müsste ich bei jedem Skatabend wütend aufstehen, könnte wohl kaum mit Kollegen am Arbeitsplatz diskutieren, ein Hiphopkonzert besuchen oder auf dem Fußballplatz stehen. Ich müsste meine Mitstreiter jenseits der "10 Semester Emanzipationskunde" rekrutieren.

 

Foto DehmViele eurer Bedenken, liebe Genossinnen und Genossen vom FDS, kann ich nachvollziehen. Auch mir ist die Erklärung nicht leichtgefallen. Aber ich empfehle dringend, sich Bigotterie zu verweigern. Z.B. die TAZ wirft den Montagsdemos AfD-Nähe vor - und nimmt gleichzeitig gut bezahlte Anzeigen der AfD entgegen.

 

Es ist doch zu offensichtlich, was einige Medien mit ihrer Dämonisierung von Demonstranten wollen: nämlich überhaupt keine Bewegung. Denn da könnte ja jemand sein, der das Körperteil einer Frau lobend hervorhebt, also ein Sexist (neuerdings gibt es dies ja auch häufiger umgekehrt von Frauenseite, aber da gelten ja noch mildernde Umstände).

 

Und da könnte jemand sein, der das Bombardieren einer Palästinenserhütte durch israelische Kampfhubschrauber kritisiert, also ein Antisemit. Da könnte jemand sein, der nicht jede Erscheinung des Christopher-Street-Days für schön befindet, also ein Homophober. Da könnte jemand ein Zigeunerschnitzel bestellen, also ein Ziganophober. Und da hat jemand nicht den aktuellen Begriff für Behinderte, Afroamerikanerinnen drauf.... Und das alles kann plötzlich - und zwar ziemlich willkürlich - in die Gewichtigkeit eines professionellen Ausschwitzleugners hochgeschrieben werden.

 

Ich versuche beim Ausgrenzen wählerischer zu sein. Ich stigmatisiere Faschisten und entsprechend verurteilte Täter. Ausschließlich. Und nothing more. Ansonsten versuche ich zu überzeugen. Denn es hat rechte Demokraten und undemokratische Linke gegeben. Schade zwar, aber wenn wir 1981 alles ausgegrenzt hätten, was meiner Reinlichkeit, Ästhetik und Intellektualität nicht entsprach, wäre die Friedensbewegung 1981 gegen die Pershings bei unter 30 geblieben und nie auf 300 000 angewachsen. Aber Kleinhalten oder sowas könnte auch das Ziel der taz, des Spiegel usw. sein. Besonders wenn die taz aus der Erklärung von Wolfgang Gehrcke und mir mit drohenden Untertönen zitiert, wir hätten sogar "den amerikanischen Imperialismus, deutsche Wirtschaftseliten und die EU" angegriffen (und dabei verschweigt, dass wir im Unterschied zu manchen Tendenzen der Montagsdemos gegen JEDEN Rassismus und Antiamerikanismus aufzuklären empfohlen hatten.)

 

Uns parlamentarischen "Kräften" - ob SL, AKL oder FDS - sollte es doch um MEHR realdemokratisch außerparlamentarische Bewegung gehen. Denn ohne, da siechen wir hochdotiert hinter den verschlossenen Türen unserer Ausschüsse einfach nur dahin. Die Bezeichnungen „links“ und „rechts“ waren seit jeher Krücken, denn sie rühren aus einer uralten Sitzordnung im Abgeordnetenhaus. Zuerst geht es links gegen Faschismus und Krieg (jetzt gegen Syrien und Russland) und für Überwindung kapitalistischer Willkür. Dann kommen unsere ganzen Verhaltensmaßregelungen für einen Verständigungsprozess (andere nennen das Lernen) der stets mühsam, misstrauisch und von Rückschlägen begleitet erfolgt. Und wenn einer dabei nicht sofort kapiert, dass eine rumänische Immigrantin von Art 1 unseres Grundgesetzes genauso geschützt ist, wie die urdeutsche Trümmerfrau, muss ich es ihm ebenso beschwerlich erklären, wie dem Gewerkschaftsneumitglied, das vielleicht immer noch glaubt, in Regimes des monopolkapitalistischen Extraprofits könne es "gerechte" löhne geben. Aber jemanden gleich auszugrenzen, heißt den Gesprächsfaden einfach nur abzuschneiden. Ich werbe gegen diese Unbarmherzigkeit des aufgeklärten Menschen! Und zwar, weil Aufklärung und demokratische Reform und Revolution sich nicht vorm Spiegel (dem an der Wand!) rechtfertigt, wer „der beste linke im ganzen Land“ sei, sondern wer andere etwas linker macht.

 

DIE LINKE kommt oft nur als wandelndes Umerziehungslager rüber. Aber als Katholische Inquisition nur mit Exkommunikations-Bannflüchen und Verbotsforderungen durch die Geschichte zu laufen und sich dann zu wundern, dass die stehenden Ovationen ausbleiben, mag zwar Wohlgefühle und Selbstgefälligkeit nähren, ist aber nicht „dem Volke zugewandt“ (gramsi) und bewegungsfördernd. Durch überzogene political correctness haben wir uns nicht eben kraftvoller gemacht.

 

Sicher ist es schön, wenn das FDS nun erstmalig radikalere Kadergruppen wie SAV, Marx21 und Dittfurth gegen Gehrcke/Dehm/Hunko zitiert. Es wäre aber noch schöner, wenn sich die Strömungen bei dem widrigen und widersprüchlichen Weg, mehr außerparlamentarische Bewegung zu schaffen, gegenseitig mehr helfen würden. Es kann ja ruhig (FDS-gemäß) nur für kleine Reformschritte sein (denn ob wir Marxisten unsere geliebte Revolution je mehr als nur ahnen können, wissen auch wir nicht. Da geht es uns wie den Agnostikern).

 

Aber eines ist klar: hätte es seit zwei Monaten stärkere außerparlamentarische Aktivitäten der Linken in Sachen Ukraine gegeben, stünden wir heute in Umfragen (noch) besser da.

 

Und wenn wir dann irgendwann mal gemeinsam mehr mobilisieren, dann sollten dabei nicht moralische Hochnäsigkeit und intellektualisierte Verbotsforderungen gegen die sogenannten "normalen und kleinen" Leute (die in Wahrheit allesamt so unnormal und groß sind, wie wir) unser Außenbild zieren, sondern Entwürfe und Erleben von mehr Lebensglück. Das scheint uns in Wahrheit links!

 

Gegen die Dämonisierung der Montagsmahnwachen

 

Mehr über die Hintergründe:
http://www.freitag.de/autoren/maennlicherlinker/friedensbewegung-wie-weiter