Stellungnahme der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz zur Vorlage Nr. 146/2011, eingereicht von Ida Schillen und Diether Dehm, Top 3 der Tagesordnung der Sitzung des Parteivorstandes am 21. Januar 2012

"Kulturelle Vielfalt und die Künste in allen ihren Ausdrucksformen sind unverzichtbar für eine lebendige Demokratie. Günstige Rahmenbedingungen und Freiräume für ihre Entwicklung zu schaffen ist deshalb für uns als Linke wesentlicher Bestandteil unseres Ringens um eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft."- heißt es im neuen Programm der Partei DIE LINKE. Dies ist zweifellos eine Aufgabe für die ganze Partei.


Wir begrüßen es deshalb, dass sich der Parteivorstand nunmehr mit der "Kultur in der Linken", ihrer Ausstrahlung und ihren Formen von Kulturarbeit befasst. Selbstverständlich teilen wir die Intention der Vorlage, die Kulturarbeit der Partei in allen ihren Gliederungen zu stärken und damit auch Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wirken in der Gesellschaft zu schaffen. Das begleitende Papier von Diether Dehm stellt die Vorlage aber in einen Kontext, den wir als Bundesarbeitsgemeinschaft für problematisch halten. Als linke (Kultur)politikerinnen und Kulturpolitiker sollten wir durchaus den Dialog mit den Kunst- und Kulturwissenschaften pflegen, nicht aber für sie sprechen und Versatzstücke vereinnahmen. Gramsci, um nur ein Beispiel zu nennen, hat viel Wichtiges und Interessantes zu kulturpolitischen Grundansätzen, zur Förderung von Rahmenbedingungen für Kunstschaffende und zur kulturellen Bildung gesagt, zugleich aber auch viel Instrumentelles zu den Künsten und über Künstler aus der Perspektive eines Parteipolitikers. Mit letzteren steht er - historisch völlig nachvollziehbar - eher in einer unheiligen Traditionen, die wir nicht fortsetzen sollten. (siehe dazu ausführlicher das Papier von Konstanze Kriese, siehe auch den Text von Jochen Mattern in der Anlage). Nach erneuter Beratung der Vorlage in der heutigen Runde der SprecherInnen (einige von uns hatten sich schon an der Beratung zu diesem Thema mit Ida Schillen und Diether Dehm vom 1. Juli 2011 beteiligt) geben wir darüber hinausgehend folgendes zu bedenken:

    Wir sind eine neue Partei, in der Angehörige verschiedener sozialer und kultureller Milieus mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen zusammenkommen. Wir brauchen - aufbauend auf unserem neuen Programm - eine intensive Debatte in der ganzen Partei über unser Kulturverständnis, über den Umgang mit den Künsten, den alten und neuen Medien und unsere Formen der Kommunikation. Wir müssen uns fragen: Sind diese Formen noch zeitgemäß? Wen erreichen wir, wenn sich die Kultur dieser Gesellschaft durch Globalisierung und Digitalisierung rasant wandelt und sich weiter in verschiedene soziale und kulturelle Milieus ausdifferenziert?
    Wir brauchen neue Konzepte für die Kulturpolitik wie für die Kulturarbeit der Partei. Das sind zwei Seiten eine Medaille. DIE LINKE hat sich in der Vergangenheit konsequent für die Interessen von Künstlerinnen und Künstlern und anderen Kreativen eingesetzt und damit auch Anerkennung bei Kulturverschaffenden und deren Verbänden gefunden. Jetzt gilt es, die Folgen des gesellschaftlichen Wandels für die Kulturschaffenden neu zu bedenken und daraus Schlussfolgerungen für unsere parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit zu ziehen. Über die traditionellen Künste hinaus haben sich in der Kultur- und Kreativwirtschaft und im Bereich der neuen Medien ganz neue Felder künstlerischer und kultureller Arbeit herausgebildet. Zu deren Protagonisten haben wir bislang wenig Zugang. Das muss sich ändern.
    Das vorliegende Papier wirft Schlaglichter auf die derzeitige Situation der Kulturarbeit in der Partei, kann sich aber noch nicht auf eine Analyse dessen stützen, was tatsächlich in Bund und Ländern in den vergangenen Jahren schon geleistet wurde und gibt daher auch kein zutreffendes Bild von der "Kultur in der Linken". Die Partei ist real in ihrer Kulturarbeit, ihren Angeboten und Kommunikationsformen viel breiter und differenzierter als hier beschrieben. Die Kulturpolitik der Partei, das Wirken in den Parlamenten, wie auch die langjährige Arbeit der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz mit nunmehr schon 13 Landesarbeitsgemeinschaften bleibt ausgeblendet. Ebenso das Wirken der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
    Die Partei braucht mehr Dialog und Kooperation mit Kulturschaffenden und Künstlern. Das aber mit einem breiteren Feld von Künstlerinnen und Künstlern, nicht nur mit jenen, die schon immer an unserer Seite waren und diese Gesellschaft wie wir kritisch sehen. Wir brauchen die Künste in der Vielfalt ihrer Richtungen, weil sie unser Welt- und Gesellschaftsverständnis erweitern und unsere ästhetischen Erfahrungen bereichern. Dazu müssen wir nicht permanent Kulturveranstaltungen aller Art organisieren, Konzerte, Ausstellungen, Lesungen oder Events. Das sollten wir auch tun. Viel dringlicher ist es, mit Künstler/innen und andere Akteur/innen in der Kulturszene ins Gespräch zu kommen und das nicht nur über kulturpolitische Fragen.
    Wenn von Kultur der Linken die Rede ist, dann geht es im Eigentlichen um eine andere Kultur der politischen Arbeit, um Offenheit, Neugier, eine Kultur des Streits, des Umgangs miteinander, um die Widerspiegelung der Vielfalt kultureller Wurzeln in der Mitgliedschaft und vor allem auch um eine aktive Zeitgenossenschaft nicht zuletzt mit den kulturellen und künstlerischen Entwicklungen in diesem Lande.
    Eine internationale Kulturkonferenz ist zu begrüßen. Es ist ja nicht die erste größere Konferenz DIE LINKE hat zuteilen gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in den letzten Jahren eine ganze Reihe interessanter Kulturkonferenzen und Tagungen organisiert - erinnert sei hier an die Kulturforen zur Kulturellen Bildung, zur Zukunft von Arbeit und Kultur oder zuletzt zur Kultur Stadt Berlin im vergangenen Jahr. Erinnert sei auch an die wesentlich von Luc Jochimsen initiierte Reihe " Kultur Neu Denken". Diese Veranstaltungen haben den Kreis derer, mit denen wir im Gespräch sind, beträchtlich erweitert. Wir brauchen jetzt auch den internationalen Kontext und die Öffnung zu dort entwickelten künstlerischen und theoretischen Konzepten, bitten aber zu bedenken, ob nicht zunächst 2013 im Jahr der Bundestagswahl nochmals eine nationale Konferenz stattfinden sollte, die unsere bundesweiten Konzepte und Forderungen verdeutlicht. Im Jahr der Europawahl 2014 sollte dann eine europäische/internationale folgen.
    Kulturpolitik und Kulturarbeit müssen Sache der ganzen Partei werden. Dennoch brauchen wir Kulturverantwortliche in den Gremien. Verbesserungen sind hier zweifellos notwendig. Ohne Evaluierung entstehen aber auch an dieser Stelle falsche Bilder. Denn es gibt schon Verantwortliche beim Parteivorstand, in der Bundesgeschäftsstelle, teilweise auch in den Landesvorständen. In den Ländern wirken ja auch die Landesarbeitsgemeinschaften Kultur. Diese "Kulturschaffenden" in der Partei haben kaum eine Lobby und kämpfen oft gegen "Windmühlen". Diese Aktiven sollten durch die Debatte in der Partei gestärkt und noch besser miteinander vernetzt werden. Der Veranstaltungsbetrieb im Karl-Liebknecht-Haus/Rosa-Luxemburg-Saal z.B. hat jetzt ein Budget für 2012 und Verantwortliche. Das Programm kann durchaus noch bereichert werden.

Also: Es ist an der Zeit, eine Bilanz nach 5 Jahren DIE LINKE zu ziehen und ein Konzept (Kulturelle Leitlinien) in Weiterführung des Parteiprogramms zu entwickeln. In Sachsen z.B. sind solche Leitlinien schon in der öffentlichen Debatte und in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und anderen Ländern wirkt DIE LINKE aktiv mit an der Erarbeitung von Landeskulturkonzepten. Auf all dies kann zurückgegriffen werden.

Wir empfehlen dem Parteivorstand daher, das vorliegende Papier als einen Arbeitsstand in die Diskussion zu geben, die Meinungen und Erfahrungen mit Kulturpolitik und Kulturarbeit in den verschiedenen Gliederungen einzuholen und sich in einer Beratung, möglichst noch in diesem Jahr, unter Einbeziehung aller wesentlichen Akteure im PV, der Bundestagsfraktion, der SKK, des Antieiszeitkomitees und des Kulturforums der Rosa-Luxemburg-Stiftung, erneut mit diesem Thema zu befassen. Ziel sollte es sein, auf der Basis einer Analyse der gegenwärtigen Arbeitsformen und ihrer Ergebnisse ein modernes, tragfähiges Konzept für die Kulturpolitik und Kulturarbeit der Partei zu entwickeln.

Wir empfehlen dem Parteivorstand weiter, baldmöglichst eine Kulturplattform der Linken im Netz einzurichten, in der die wesentlichen Aktivitäten und Konzepte der Partei gebündelt zu finden sind (zur Zeit sind sie nur unter Arbeits- und Interessengemeinschaften - SKK und Antieiszeitkomitee zu finden, da sucht diese niemand) und auch dort eine öffentliche Debatte über die eingereichten Papiere und Stellungnahmen zu eröffnen.