Der Bayrische Rundfunk sieht in einer "Analyse zur Europawahl", die im Mai abgehalten wird, "die Angst in der EU vor ihren Gegnern greifbar" und weist mich umstandslos als "ausgewiesenen Antieuropäer" aus. Aus diesem Anlass habe ich diesen Leserbrief verfasst:

 

Sehr geehrter Herr Lang,

da machen Sie es sich doch sehr einfach, Gregor Gysi und mich an die beiden Enden eines scheinbar zweidimensionalen Schemas zu setzen! Weder ist Gregor Gysi pauschal ein EU-Befürworter (man schaue sich nur seine leider so zutreffende Rede vor der Euro-Einführung im Bundestag 1998 an: https://www.youtube.com/watch?v=x1ef0BBtuYA), noch bin ich ein "Antieuropäer"! (Warum beziehen Sie sich bei Ihrer Begriffswahl eigentlich nicht entweder nur auf die EU oder nur auf Europa? Die herrschende Demagogie, eine EU, die gegen den russischen Teil Europas einen Wirtschaftskrieg und NATO-Aufrüstung mobilisiert, mit „Europa“ gleichzusetzen, mache ich jedenfalls nicht mit.)



Ich bin sicher ein Kritiker der bestehenden EU, die sich mit ihrer neoliberalen und sozialstaatsfeindlichen Politik ihre Gegner selbst produziert hat. Die EU sollte sich ein Vorbild an den Nachkriegsverfassungen der EU-Mitglieder nehmen, in denen Sozialstaatsgebot und Antifaschismus verankert sind! Nur so hat sie eine Chance! Das wäre proeuropäisch, nämlich zum Wohle der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in der EU. Es wäre auch proeuropäisch, sich für friedliche Beziehungen mit Russland einzusetzen, anstatt Wirtschaftssanktionen und Aufrüstung gegen Russland durchzusetzen. Russland, welches mit Moskau und St. Petersburg die zweit und viertgrößten europäischen Städte stellt.



Andererseits halte ich es gar nicht für proeuropäisch, die Straßen Richtung Moskau panzertauglich zu machen oder im Lichte einer Europäischen Verteidigungspolitik die Waffenexportrichtlinien aufzuweichen und Saudi-Arabien für seinen mörderischen Angriffskrieg im Jemen auszurüsten. Sind das etwa europäische Werte?



Die EU-Verträge müssen neu verhandelt werden, damit Sozialstaatlichkeit und andere gewerkschaftliche Standards dort endlich so festgeschrieben wird wie in den antifaschistischen Nationalverfassungen in Europa. Das wäre im Interesse eines sozialen, friedlichen und demokratischen Europas und alles andere als "antieuropäisch"!



Mit besten Grüßen
Diether Dehm