Jair Bolsonaro kam mit dem Versprechen ins Amt, für seine Klientel dafür zu sorgen, dass diese die riesigen Ressourcen im Amazonasgebiet ausbeuten kann. Es geht dabei vor allem um Bodenschätze sowie um Land für Agrarkonzerne und zur Viehhaltung. Bei diesem Vorhaben steht ihm die indigene Bevölkerung im Weg und so versucht er im Bündnis mit reaktionären Evangelikalen, deren Art zu leben und deren Rechte abzuräumen. Dagegen müssen wir uns wehren, in Brasilien wie hier, denn das Ganze findet auch auf Geheiß und im Interesse deutscher Konzerne statt.

Daher habe ich mitgezeichnet!

 

Offener Protestbrief gegen die Ernennung Ricardo Lopes Dias und gegen die PL 191(1)

 

Als Verteidiger der Demokratie und der Menschenrechte wenden uns hiermit an die Öffentlichkeit und äußern unsere Bestürzung und vehemente Ablehnung der Berufung des Missionars und Anthropologen Ricardo Lopes Dias in die Leitung der Gesamtkoordination für die Belange der isolierten oder erst vor kurzem kontaktierten Indigenen (Coordenação Geral de Índios Isolados e de Recente Contato) innerhalb der FUNAI (Fundação Nacional do Índio – Nationale Stiftung der Indigenen) in Brasilien.

Es ist bekannt, dass Lopes Dias zwischen 1997 und 2007 in der fundamentalistisch ausgerichteten Organisation „Mission Neuer Stämme Brasiliens“ (Missão Novas Tribos do Brasil) aktiv war, die nordamerikanischen Ursprungs ist und seit den 1950er Jahren die Evangelisierung brasilianischer Indigener betreibt und fördert. Die Mitglieder der Mission Neuer Stämme Brasiliens glauben, dass die zweite Ankunft Christi sich nur ereignet, wenn auch die letzten Menschen der Erde das Evangelium empfangen haben. Damals wurden Indigene gewaltsam sesshaft gemacht, ihre Haare wurden geschoren, sie wurden gezwungen, ihrem Glauben und auch ihrer Schöpfungsgeschichte abzuschwören, in Missionssiedlungen zu leben und zu arbeiten, „westliche“ Kleidung zu tragen und somit ihre Lebensformen drastisch zu ändern. In der Folge verloren einige Völker ihr Land und viele starben insbesondere an Krankheiten.

Operação Hymenaea Julho

Die Änderung der Geschäftsordnung der FUNAI, die es erlaubt, leitende Posten durch Personen von außen zu besetzen, die keine entsprechende Berufslaufbahn aufweisen, deutet auf den Zweck der Nominierung. Mit Ricardo Lopes Dias an der Spitze der FUNAI zielt die Behörde jetzt darauf, eine “neokolonialistische auf Ethnozid ausgerichtete” Politik des Zwangskontaktes „zu entwickeln, die das Instrumentarium des religiösen Fundamentalismus einsetzt ,um den Lebensraum dieser Völker der Ausbeutung durch Großgrundbesitzer und dem Abbau von Bodenschätzen auszuliefern”, warnt der Indigenistische missionarische Rat (Conselho Indigenista Missionário - CIMI).

Wir verweisen darauf, dass Präsident Jair Bolsonaro parallel zur Nominierung am 5. Februar dieses Jahres einen Gesetzentwurf an den Kongress geschickt hat, der Abbau, Land- und Viehwirtschaft in indigenen Schutzgebieten erlaubt.

Wir zollen dem Kampf der indigenen Völker Brasiliens für ihr Überleben und die Verteidigung der natürlicher Ressourcen, der über 500 Jahre andauert und bei dem viele Stämme, sich für Abschottung entschieden haben, unsere Anerkennung. Die Missachtung der Rechte der indigenen Völker Brasiliens und die Zunahme der Bedrohung und der Angriffe, die sie in den letzten Monaten erleben, ist mehr als alarmierend.

Die Regierung Jair Bolsonaro stellt das Existenzrecht und die Menschenrechte der indigenen Völker in Frage und widerspricht damit dem Wesen der Demokratie, ihrem Grundsatz ungeteilter Garantie auf Rechte, die Achtung vor dem Leben, Menschenwürde. Wir missbilligen jeglichen Versuch die indigenen Völker aus marktorientiertem Gewinnstreben und religiösem Glauben

heraus, der den Lebensgewohnheiten dieser Völker fern liegt, zu beherrschen, zu kontrollieren, zu benutzen und auszubeuten.

Wir machen auf die Schwere dieser Tatsachen aufmerksam und warnen vor einer Wiedereinführung kolonialistischer, dem Modell des 16. Jahrhunderts verhafteten Strukturen in Brasilien.

Wir erwarten ein Überdenken und die Annullierung der verheerenden, un-ethischen und kontraproduktiven Nominierung von Ricardo Lopes Dias zum Leiter der Gesamtkoordination für Belange der Isoliertee oder erst vor kurzem kontaktierten Indigenen Völker der FUNAI.

Wir appellieren an den Kongress, die Gesetzesvorlage PL 191 zur Öffnung indigener Schutzgebiete für Bergbau und Stromerzeugung abzulehnen.

 

(1) Gesetzentwurf: Regelt § 1 des Art. 176 und § 3 des Art. 231 der Verfassung, um die spezifischen Bedingungen für die Erforschung und Gewinnung von Mineral- und Kohlenwasserstoffressourcen und für die Nutzung von Wasserressourcen zur Stromerzeugung auf indigenem Land festzulegen, und führt eine Entschädigung für die Einschränkung des Genusses von indigenem Land ein.

 

Liste der Mitunterzeichner*innen:

Alexander Ulrich (Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion); Amoi Ribeiro (Übersetzer); Dr. Andrea Scholz (Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Ethnologisches Museum Berlin); Andrej Hunko (Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Bundestag); Dr. Birgit Suhrbier (Anthropologin); Carla Guagliardi (Künstlerin); Dr. Diether Dehm (Abgeordneter der Linksfraktion); Didice Godinho Delgado (Sozialpädagogin); DJ Macedo (Schauspielerin/ Sozialpädagogin); Christian Wendt (Pfarrer i.R.); Christiane Winter de Velarde (Dipl.- übersetzerin); Dr. Claudia Zilla (Senior Fellow – Stiftung Wissenschaft und Politik); Prof. Dr. Elisa Zwick (Professorin an der Alfenas Universität Brasiliens / Soziologie); Elizabeth Stauß (Ethnologin Universität Bonn); Ellen Spielmann (Journalistin freelancer); Flavio Lenz (freier Journalist); Flavio Wolf de Aguiar (freier Journalist und Schriftsteller); Friederike Strack (Soziologin); Gerhard Mertschenk (Übersetzer und Dolmetscher); Gert Eisenbürger (Informationsstelle Lateinamerika ILA, Bonn); Günther Sauter, Günther Schultz (Brasilieninitiative Freiburg e. V.); Harald Neuber (Lateinamerikanist und Journalist); Heidrum Martinet; Heike Hänsel (Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion); Helga Dressel (Kulturmittlerin); Juliet Koss (Außerordentlicher Professor für Kunstgeschichte und Direktor des Humanities Institute am Scripps College); Laizio Rodrigues de Oliveira (Forscher/Mathematik); Prof. Dr. Ligia Chiappini (Professorin für brasilianische und lateinamerikanische Literaturen - FU Berlin); Dr. Luiz Ramalho (Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler); Mareen Butter (freie Journalistin); Maria Cristina Fernandes Francisco (Biologin); Mario Schenk (Brasilien -Wissenschaftler); Prof. Dr. Martina Sproll (Professorin für Gesellschaftswissenschaften, HWR Berlin); Milo Rau (Theaterregisseur und Autor) Mirah Laline de Souza Carvalho (Theaterregisseurin); Peter B. Schumann (Publizist); Peter Steiniger (Journalist); Rita Carvalho-Tetzner (Lehrerin); Rita Nierich (Lateinamerikanistin); Suelly Torres (Photografin); Thomas Nord (Mitglied des Bundestags für die Franktion Die Linke); Ulrich Delius (Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker); Yili Rojas (Künstlerin); Werner Wuertele (Sozialwissenschaftler, LAF-Berlin); Dr. Zinka Ziebell (Dozentin für brasilianische Literatur - FU Berlin).

 

Bild: wikimedia commons