covid profit

Bevor ich mit Dieter Hallervorden den regierungskritischen „Corona-Song“ geschrieben und mit Millionen Zugriffen veröffentlicht habe, war dessen Vorfassung von Jan Böhmermann, Kurt Krömer, Ruhrbarone-Bloggern, taz und Spiegel mit linksklingenden Worthülsen angeschossen worden, besonders grotesk: als „Querfront“ und „Verschwörungstheorie“, weil ich da „Covid auch auf Profit“ gereimt hatte. Seit Joseph Fischer zur angeblichen „Verhinderung von Auschwitz II“ Serbien bombardieren ließ, werden antifaschistische Begriffe antisozialistisch und political correct ausgehöhlt. Aber für den Markenkern der Rechten, für Feindschaft gegen die organisierte Arbeiterbewegung, für Anti-Kommunismus, gibt‘s Beifall von Ruhrbaronen, Bild über Spiegel bis AfDP. Welche „Fragen eines lesenden Arbeiters“ sind medial noch zulässig?

1. Was eigentlich sind „Vorerkrankungen“? Nur Diabetes und Adipositas? Ist alltägliche Entfremdung im Betrieb kein Immunstörer? Dem Bio-Rhythmus gegenwirkende Arbeits- und Zeitregime? Burnouts? Schlaflosigkeit, Dauerstress? Ständige Erreichbar- und Verfügbarkeit per Handy und Dauerablenkung über (a)soziale Medien? Also: Woher kommt bloß das große Verschweigen der Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich als Immun-Stabilisiererin?

2. In „Lockdown 2020“ (Promedia) bewerten Hofbauer, Kraft, Hunko, Mattioli, Sönnichsen und andere die vielzitierten Zahlen aus Italien: „95 % Menschen [starben] im Alter von über 60 Jahren.“ (S. 70/58) Statt Ältere „zu ihrem Schutz“ aus der Freizeit zu holen, warum nicht aus verengenden Arbeitsverhältnissen? Wäre es nicht jetzt und überhaupt generell das Gesündeste, das Eintrittsalter in eine armutsfeste Rente auf 60 zu senken?

3. Der junge-Welt-Journalist Knut Mellenthin postete am 7. November: „In Israel fand vor vielleicht zwei Monaten eine US-amerikanische Untersuchung große Aufmerksamkeit, die einen Zusammenhang zwischen Demonstrationen und Masseninfektionen explizit verneinte ... Aber um Fakten geht es schließlich gar nicht. Sonst würde man beispielsweise keine Museen schließen.“ Welche Zahlenbasis gibt es für die Entscheidung, welche Orte vorübergehend geschlossen werden müssen, weil sie ein hohes Infektionsrisiko darstellen? Sind es Theater, Kabaretts, Songveranstaltungen und ähnliches – trotz deren modernster Hygienetechnik und Hygienekonzepte? Das „Ersatzangebot“ digitaler Performance-Plattformen (Zoom & Co) klingt zwar verlockend. Aber Kabarettisten wissen: Beifall und Lachen für eine kritische Pointe überraschen nicht nur Bühne, sondern auch Publikum: „Hoppla, der Mensch neben mir klatscht ja auch riskant!“ In digitaler Performance folgt darauf aber nur Grundrauschen. Es bedarf kollektiver Präsenz, um nicht passiver, weil atomisierter Medien-Spielball zu bleiben. Hegel notierte, „die Begeisterung am Wahren“ schüfe erst „die wahre Begeisterung“. Und Pierre Bourdieu nannte es „Gegenöffentlichkeit“. Damit Demokratie nicht verwelkt, müssen Organisationen, die der Arbeiterklasse nahestehen, auf Präsenz-Versammlungen insistieren! Zwar gestand Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Pressekonferenz, dass es keine bezifferbaren Infektionen in Theatern gebe. Aber die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei „der Gefahrenherd“. Wann ist die Kanzlerin zuletzt per Bus ins Theater? Oder morgens Schulter an Schulter in der S-Bahn gefahren – wie Arbeiter in die Fabrik, Kinder zur Kita? Oder zum Mediamarkt, der ja geöffnet bleibt?Sollten wir Linken jetzt nur Sonderabgaben von Krisengewinnlern wie Amazon, Lieferando, Zoom und anderen einfordern? Oder auch radikale, nachhaltigere, antimonopolistische Alternativen, wie die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen? Sollen Gewerkschaften zur Pleitewelle der Kleinunternehmen weiter schweigen? Und umgekehrt: Was sind die Folgen der staatsmonopolistischen „Marktbereinigung“ per Lockdown? Außer noch mehr Investitionsmacht für transnational agierende Konzerne? Zum Beispiel zur Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnstandorte? Und wie wenige Tarifvereinbarungen überleben das hierzulande?Neue antiimperialistische Solidarität ist notwendig – hierzulande und transnational. Laut Handelsblatt vom 17. September sterben in der „Dritten“ Welt mehr Menschen an lockdownbedingtem Hunger und Krankheiten als an Covid19 in der „Ersten“ Welt. So, wie jeder Krieg mit Lüge beginnt, beginnt der „Shutdown“ des Sozialstaats mit einem „Shutup!“ gegen Meinungsfreiheit. Wer für Demokratie kämpft, tut dies also auch für Gesundheit und Menschenleben.

 

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