Drucken
Kategorie: Positionen

ossietzky kEs sind oft die im Kalender so unauffällig notierten Termine, die dann zu hohem Rang gelangen. So erging es dem 70. Geburtstag des Ossietzky-Herausgebers und früheren Madsack-Konzern- Betriebsratsvorsitzenden, Rainer Butenschön. Dass er im fortschrittlichen Niedersachsen als "bedeutende gewerkschaftliche Persönlichkeit“ gilt, ist nicht nur der historisch besonderen Herkunfts-Gewerkschaft „IG Druck“, sondern seiner privaten, radikalen Präzision geschuldet. Und dank dieser Dialektik aus Abstraktem und Konkretem lagen beim biographischen Jubiläum in den Hannoverschen Verdi-Höfen auch verschiedene historische Fäden übereinander - beim Wiedersehen all derer, die da zusammensaßen "vom Eselziehen grau geworden“, „das Fell gegerbt in Niederlagen". 

 

Gina Pietsch gab zunächst ein Konzert mit Theodorakis und Brecht. Hätte sie da auch das alte Arbeiterlied vom "Roten Wedding" gesungen, wäre darin auch die Berliner „Schande der SPD" erwähnt. So aber musste sie per Zwischenansage auf die "Schande von Rot-Rot-Grün" kommen: am nächsten Vormittag, dem 8. Mai, hätte Gina nämlich in Berlin am sowjetischen Ehrenmal für die „Friedenskoordination“ singen sollen. Dies Konzert war aber einen Tag zuvor abgesagt worden. Der Berliner Senat hatte einer Kundgebung mit dem berüchtigten ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk am selben Ort den Vorrang gegeben.

Passend zu dieser „rotgrünen“ Sumpfblase hatten mich noch zuvor drei Verdi-Kollegen vom Nebentisch ausgelacht, mein Spott-Spot vom Vorabend (https://weltnetz.tv/video/2651-verfuegung-vom-4-mai-2022) wäre doch Fake gewesen, wonach der Berliner Senat sowjetische Symbole am 8. Mai gerade verboten hätte. Mit Ginas Ansage zum Konzertverbot (und pro Melnyk) blieb aber den Dreien jedes Lachen im Hals stecken.

Währenddessen reichte ein junger Genosse sein Handy mit dem Brief eines „Andrij Melnyk“ herum. Nein, nicht des aktuellen Botschafters der Ukraine. Sondern den von dessen gleichnamigem Patron. Dieser „Andrij Melnyk“ (Foto unten) war nämlich Gründer der rechtsextremen OUN und beschwerte sich 1942 bei seinem großdeutschen Führer, dass Deutschland den ukrainischen Faschist:*innen nicht genügend schwere Waffen liefern würde (https://www.facebook.com/100014548548605/posts/1300953100399629/?flite=scwspnss).

Und so mag sich nicht nur Andrij Melnyk junior von der Berliner Senat gehuldigt fühlen, sondern posthum auch dessen Namensgeber - getreu dem „rotrotgrünen“ Motto: Genderstern statt Sowjetstern!

Und als ich um 16 Uhr wieder von Hannover nachhause fuhr, hatte ich (wahrscheinlich in Ermangelung eines amtierenden MdB) circa 20 Grussadressen an Sahra Wagenknecht im Gepäck, doch endlich aus dem rotgrünen Sumpf den Schritt ins Freie, Offene zu wagen.

Diether Dehm, veröffentlicht in Ossietzky 10/23

 

melnik 

Bild 1 (links): Andrij Melnyk (* 7.9.1975 in Lemberg); Botschafter der Ukraine in Deutschland


Bild 2 (rechts): Andrij Melnyk (* 12.12.1890 in Lemberg; † 1964 in Köln); Agent der Abwehr und Mitgründer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN)


Als Vorsitzender der OUN beschwerte er sich im Januar 1942 in einem Brief an Reichskanzler Adolf Hitler über die mangelnde Unterstützung aus Deutschland.
Dem ging folgendes Schreiben an Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop voraus, in dem er um Geld und Waffen aus Deutschland bat:


"No. 1.29. Letter from A. Melnik to the Minister of Foreign Affairs of Germany J. Ribbentrop about the possibility of creating at this historical stage an independent Ukrainian state and the need support from Germany


May 2, 1939

Seine Exzellenz

Reichsaußenminister von Ribbentrop

Berlin

 

Exzellenz!
Nach dem Zusammenbruch des ukrainischen Staates 1918-1920 hörten die Bestrebungen der ukrainischen Nation, ihr höchstes Ideal zu erreichen, keine Minute auf. Das ist die Unabhängigkeit der Staaten in allen Ethnographischen Regionen, die vor zwanzig Jahren von Russland, Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei mit Hilfe der bewaffneten Gewalt und gegen den Willen der Ukrainer besetzt wurden. Der Wunsch der Ukrainer nach Unabhängigkeit geht weiter durch innenpolitische Aktivität, außenpolitische Propaganda und umfassende Vorbereitung des Volkes auf die Rückkehr der staatlichen Unabhängigkeit.


Die Ereignisse der letzten zwanzig Jahre in den ukrainischen Regionen haben unmissverständlich bewiesen, dass, unabhängig von welcher innenpolitischen Situation sich unter den Besatzern der ukrainischen Regionen gebildet hat und welche Situationen sich in der Weltpolitik ergeben, Ukrainia n Nationalisten, inspiriert von einem fanatischen Glauben an den Sieg des Nationalismus, werden unerschütterlich sein in ihrem Kampf, alle ukrainischen Länder zu einem unabhängigen Staat zu vereinen.


1938 wurde im Rahmen der neuen Tschechoslowakei der karpatho-ukrainische Staat gebildet, der in wenigen Monaten seines Bestehens unmissverständlich den Willen und die Fähigkeit bewiesen hat, ein Staatsleben zu führen, trotz des nationalen Bewusstseins seiner Bevölkerungsrückstand im Vergleich zu anderen ukrainischen Regionen und die außergewöhnlich schwierige finanzielle Situation. Im März 1939 legte Karpatho-Ukraine einen bewaffneten Abstoß gegen den Einmarsch ungarischer Truppen vor.


Bei der Bewertung des inneren Machtgleichgewichts in der Sowjetunion zeigt sich Folgendes: Aus- und innenpolitische Situationen, die für die Sowjetunion schwierig sind, zwingt Moskau, politische Zugeständnisse an die Bevölkerung zu machen, einschließlich die unterdrückten Völker. Einerseits führen diese Zugeständnisse zu einer Schwächung des Regimes, andererseits werden sie nicht entscheidend für die endgültige Befreiungsoperation der Ukrainer und anderer unterdrückter Nationen sein, bis die Sowjetunion in eine ernsthafte Extras verwickelt ist Ernaler Konflikt. In diesem Fall empfiehlt es sich, alle Maßnahmen im Land zu ergreifen, um den ukrainischen Befreiungskampf zu stärken, denn dies ist sehr wichtig für die Lösung des Konflikts.


Die Situation in den ukrainischen Ländern in Polen hat beispiellose Spannungen erreicht. Mögliche Entlastung ändert nichts am Stand der Dinge, sowie die Lösung des Ukraineproblems in Form von Autonomie im Rahmen des polnischen Staates nach früheren Versuchen und Erfahrungen nicht berücksichtigt. Die politischen und psychologischen Voraussetzungen für die Trennung der westukrainischen Regionen von Polen sind nun eine Tatsache, die sich niemand ändern kann. Für die erfolgreiche Umsetzung einer solchen Aktion und gleichzeitig eine günstige außenpolitische Situation werden nur Waffen benötigt.


Die Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN), als einziger und echter Träger und Anführer des Befreiungskampfs der ukrainischen Nation, die dank ihrer Aktivität, der Bereitschaft zu Opfern großen Einfluss auf die ukrainische Bevölkerung hat, weiter hängt, was das Weltbild angeht, mit ähnlichen Bewegungen in Europa zusammen, insbesondere Nationalsozialismus in Deutschland und Faschismus in Italien, angesichts der bereits durchgeführten Transformation Mitteleuropas und der historischen Notwendigkeit, auch Osteuropas zu reformieren, habe ich die Ehre, mich mit diesem Brief an Ihre Exzellenz zu wenden r und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die oben genannten Fakten.


Führer der ukrainischen Nationalisten


Andrey Melnik


AA Politarchiv. V. 527/R 104430. Original. Übersetzung aus dem Deutschen. "


Quelle: http://docs.historyrussia.org/ru/indexes/values/635979