Im folgenden Dokumentieren wir einen Kommentar von Tom Strohschneider gefunden auf "lafontaines-linke.de/" und die Antwort darauf von Diether Dehm


Kommentar von Tom Strohschneider: "Spiegel, Dehm, Höpcke"
http://lafontaines-linke.de/2009/09/spiegel-dehm-hopcke/#more-2984

20. Sep 09 - Diether Dehm und der Spiegel, das ist eine lange Geschichte. Eine Feindschaft, die mitunter den Eindruck macht, als kämen beide Seiten ohne sie nicht aus. Dem Hamburger Blatt dient der Linkspartei-Mann gern als schlimmes Beispiel für Stil und Politik der Linken. Umgekehrt lässt Dehm keine Gelegenheit aus, gegen die „Konzernmedien“ blank zu ziehen. Im Wahlkampf ist dafür häufiger Anlass als sonst. Über die Verhaftung von sechs Kabarett-Leuten in der DDR, den freihändigen Umgang mit Geschichte und einer Erklärung, die man gern gelesen hätte.

Anfang September brachte der Spiegel eine lange Geschichte über die Linkspartei, die „Einblicke in das Leben einer gespaltenen Partei“ versprach, was ja interessant gewesen wäre. Dann aber lieferte das Blatt vor allem eines: die Bestätigung, dass in der Redaktion ein gewisses Ressentimentniveau nicht unterschritten werden darf. Dehm reagierte auf den Beitrag prompt: In einem Interview erneuerte er nicht nur seine ziemlich krude Idee von den „etwa 800 BND-Agenten, die in den Medien zur Bekämpfung linker Strömungen angesetzt sind“. Sondern kündigte auch juristische Schritte gegen den Spiegel-Verlag an, unter anderem wegen der Behauptung, Dehms Mitarbeiter Klaus Höpcke habe „Anfang der sechziger Jahre als SED-Sekretär“ den Schauspieler Peter Sodann „für kurze Zeit ins Gefängnis gebracht“.

Man darf die Vermutung anstellen, dass sich die Recherche der Spiegel-Leute in diesem Fall vorrangig auf das Studium des Wikipedia-Eintrags von Höpcke beschränkte. Dort heißt es, der spätere stellvertretende DDR-Kulturminister habe seinerzeit „als ‚hundertprozentiger‘ Vertreter der Parteilinie“ agiert, „etwa … beim Verbot des Studentenkabaretts Rat der Spötter (das mit Haftstrafen für die Kabarettisten u. a. den späteren Tatort-Kommissar Peter Sodann endete).“ Tatsächlich hatte damals die Parteileitung der Leipziger Universität, der Höpcke angehörte, ein Programm der Kabarettgruppe abgesetzt, weil man es für „konterrevolutionär“, “staatsfeindlich” und werweißwasnoch hielt. Zwar waren die eingereichten Texte zunächst bei der “Kontrolle” durchgegangen. Nach der Generalprobe und hitziger Diskussion wurde die Aufführung dann aber untersagt. Wenig später wurden Sodann und fünf weitere Mitglieder des Ensembles in Untersuchungshaft gesteckt – von der Staatssicherheit.

Man muss sich die Umstände in Erinnerung rufen: Das Kabarett eben noch gefeiert, Staatspreis und so weiter. Im Juni 1961 ein Gastauftritt in Marburg. Dann, mitten in die Vorbereitung des neuen Programms hinein,  wird im August die Mauer gebaut. Das wird den vorauseilenden Zensurgehorsam in der SED mächtig befeuert haben. Ängstliche Apparatschiks. Druck von Oben, den Druck nach unten zu verstärken. Was eben noch toleriert wurde, gilt plötzlich als staatsfeindlich. Mielkes MfS machte die Sache zu einem Justizfall, um ein Signal der Abschreckung für Künstler, Akademiker zu senden. Für jeden, der sich den kritischen Witz nicht versagen wollte. Sodann und andere, das muss man dazu sagen, verstanden sich als Sozialisten in einem Land, das “von Idioten regiert wird”, wie der Schauspieler es später einmal nannte.

Zurück zum Spiegel und seinem freihändigen Umgang mit der Geschichte. Wie wenig es wirklich um die Sache selbst geht, sondern nur um den Effekt, den man mit ihr erzielen kann, zeigt sich in folgendem: Das Blatt schreibt von “kurzer Zeit”, für die Sodann ins Gefängnis gebracht worden sei. Eine groteske Untertreibung, wo sonst gern übertrieben wird. Die Untersuchungshaft dauerte neun Monate. Verhöre und die Ungewissheit, was am Ende für eine Strafe stehen würde, machten sie zu einer sehr sehr langen Zeit, wie man unter anderem bei Ernst Röhl nachlesen kann, der damals mit im Knast saß. Erst im Mai 1962 wurden Sodann und die anderen nach einer einwöchigen Verhandlung auf Bewährung entlassen.

Der Spiegel, berichtet nun Dehm, habe sich gleich nach der ersten Abmahnung „unterwerfen“ müssen und die „die geforderte Unterlassung“ unterzeichnet. In der Online-Fassung des Beitrags findet sich die Höpcke-Passage nicht mehr. Ob nun weitere Rechtsschritte erfolgen, wolle Dehm mit seinem Mitarbeiter Anfang der kommenden Woche besprechen. Dann könnte gleich auch über eine kleine Erklärung Höpckes nachgedacht werden – denn bei aller Kritik an den „Konzernmedien“ und „ihrem Killerinstinkt“, wie es bei Dehm heißt, hätte man ja doch gern erfahren, wie jemand wie Höpcke, der damals nicht aus der Welt, sondern nah dran war, die Vorgänge in Erinnerung hat und was er heute darüber denkt. Immer bloß darauf zu verweisen, dass die andere Seite einem das Propagandalabel “Unrechtsstaat” aufpappen will, ist nicht genug. (tos)

 

Die Antwort auf den Text von Diether Dehm

In dem Kommentar wird bezweifelt, dass der Bundesnachrichtendienst sich – zuvorderst! – um linksliberale Medien in den letzten Jahrzehnten „gekümmert“ hat. Was glaubt der Journalist Tom Strohschneider? Dass der BND ausschließlich mit dem Kampf von Neonazis beschäftigt ist? Dass er sich im Kampf gegen die, die er als Staatsfeinde ausmacht, nicht auch medialer Hilfe bedient? Die Wahrheit ist, dass Tom Strohschneider (wie viele differenziert argumentierende Journalisten, was sie ehrt) nicht glauben will, dass „unabhängiger Journalismus“, wo er linke Themen streift, mitunter geheimdienstlich verfilzt ist, dass Geheimdienste wie der BND auf die Medien einwirken, wenn es um die Herstellung neoliberaler Politik, um die Vorbereitung von Kriegsaktionen oder die Verfolgung von Linken geht. Selbstverständlich kommt der geheimdienstlichen Intervention ein breit verankertes anti-kommunistisches Bewusstsein, und ein Killerinstinkt bei den allermeisten Medienakteuren der Verlagskonzerne entgegen, so dass der geheimdienstliche Eingriff sich auf die homöopathische kleine Dosis reduzieren kann. Aber, an der Existenz medialer Einflussnahme durch die Geheimdienste zu zweifeln kommt einem Kinderglauben gleich. Man mag ja an das Gute im Menschen glauben; aber der „gemeine Medienstrolch“, wie er seit Bismarck durch alle deutschen Reiche hindurch Linke verfolgt, ist eher dem Kettenhund nachgebildet als dem Menschen mit aufrechtem Gang. Ich empfehle auch die entsprechende Literatur des Experten Erich Schmidt-Eeenbohm, der haarklein nachweist, wie DIE ZEIT, der Spiegel und viele andere Zeitungen an die Spitzelnadel des Bundesnachrichtendiensts gelegt wurden. Ich bleibe bei meiner Feststellung, dass der BND mittels Hunderter „IMs“ und hauptamtlicher Mitarbeiter auch Medienarbeit hauptsächlich gegen DIE LINKE durchführt.

Zweitens beschäftigt sich der Beitrag mit Klaus Höpcke und stellt Fragen zu dessen Vergangenheit, die in vollem Umfang berechtigt sind. Ich kenne weder das damalige Programm des Rats der Spötter noch die näheren Umstände der unterschiedlichen Reaktionen von Seiten der SED, die launischerweise von Gefängnis bis zum Befördern von Peter Sodann zum Theaterleiter reichen, was sich einem Wessi ohnehin in dieser Reaktionsbandbreite entzieht. Ich weiß nur eines: ein Staat, der jemanden für einen politischen Witz auch nur zu einem Tag Gefängnis verurteilt, ist nicht der Staat, mit dem ich mich identifizieren oder in dem ich leben möchte. Zustände, die zu solcherlei Berufsverboten führen (wie sie hierzulande von Spiegel, Bild und anderen versucht werden) habe ich mein Leben lang bekämpft und hoffe auch weiter mit ganzer Kraft bekämpfen zu können. Genauso, wie ich gegen die Biermann-Ausbürgerung gekämpft habe und weiterhin diese für gröbstes Unrecht halte, weil die Entziehung der Bürgerrechte dem Nazistaat abgekupfert ist und keine Maßnahme ist, für die Sozialistinnen und Sozialisten verantwortlich zeichnen sollten. In einem künftigen sozialistischen Deutschland darf nicht einmal das Etikett konterrevolutionär oder antikommunistisch zu staatlichen Sanktionen führen.

Diese Fragen hat aber Klaus Höpcke schon sehr früh (und dies ohne Not) eindeutig beantwortet. Er hat deutlich erklärt, dass der Weg zum Sozialismus künftig nur noch demokratisch oder gar nicht geht. Er hat dies auch gegenüber Sektierern und Dogmatikern in unserem politischen Bekanntenkreis offensiv vertreten. Deswegen war Wolfgang Leonhard (in meiner Jugend der Kronzeuge antikommunistischer Anklagen) bei seinem 70. Geburtstag und hat eine Laudatio auf ihn gehalten, die an demokratischer Rechtschaffenheit keinen Zweifel lässt. Sich mit Klaus Höpckes komplizierter Vita zu befassen, den Gründen, weswegen Anfang März 89 versucht wurde ihn abzusetzen nachdem er einer PEN-Resolution gegen die Verhaftung Václav Havels zugestimmt hatte und es Kulturschaffende waren, die ihn vor einer Degradierung gerettet haben, ist ein Stück der so dringend nötigen Geschichtsaufarbeitung, die der Spiegel eben nicht nur nicht betreibt, sondern mit seinen Krummsäbel-Methoden regelrecht erschwert bzw. verhindert.

In jedem Fall ist die Herangehensweise jener Medien, auf die der BND direkten oder indirekten Einfluss hat, nicht geeignet das Unterfangen zu bestärken, das ich in meinem Beitrag mit meinen Genossen Wolfgang Gehrcke und Paul Schäfer sowohl in der taz (28. April 2009) als auch in der SPD-Theorie Zeitschrift spw (3/2009) erläutert habe: Sozialismus und Rechtsstaat bzw. demokratische Gewaltenteilung (zuungunsten einer omnipotenten Parteiherrschaft) endlich kompatibel zu machen. Nur dieses Unterfangen ermöglicht den Zugang zu einer von Kapitalismus und anderer Willkür freien Zukunft.

Dr. Diether Dehm, MdB
Europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.