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Kategorie: Positionen

<-- Planen kulturelle Zusammenarbeit: Diether Dehm (l.) und Stefano Boeri, Kultursenator der Stadt Milano

Kulturelle Integration in Europa kann auch gleichzeitig einen Schritt der Integration von linken und anderen demokratischen Kräften ausdrücken. In Mailand hatte in einer Vorauswahl erstaunlicherweise der von der radikalen Linken (auch Kommunisten) gestützte Kandidat Pisapia, aus einer angesehenen Mailänder Anwaltsfamilie, mehr Stimmen bekommen als der Vertreter der größten Mitte-Links-Partei, PD – Partito Democratico – Boeri. Auch Mailänder Mittelständler wenden sich von Berlusconi ab.
 
Boeri hatte sich aber durch seine interne Niederlage nicht davon abhalten lassen, vorbildlich und mit seinem unbestreitbaren Charme und Intellekt, ökologischen Stadtplanerwissen und mit seinem guten Namen für Pisapias Kandidatur zu werben. Nach der Wahl wurde Boeri dann Kultursenator und Pisapia bekanntlich zur großen Überraschung ganz Italiens Oberbürgermeister. Ihm werden zwar selbst (noch) keine Ambitionen nachgesagt, gegen die Berlusconi-Mafia anzutreten, aber möglicherweise wird er dem Drängen vieler Seiten innerhalb der Linken nachgeben müssen und eventuell doch zur Ministerpräsidenten-Kandidatur bereitstehen müssen. Immerhin hat das ganze mafiöse Treiben des Berlusconi-Clans in Mailand begonnen – und möglicherweise endet es auch hier.
 


Zunächst – am 16. August – traf ich mich mit eben diesem Oberbürgermeister Pisapia, um eine Idee zur kulturellen Integration Europas zu besprechen. Während ich in meinem Urlaub zweimal die Woche Konferenzschaltungen als Schatzmeister der Partei der europäischen Linken halten und viele andere finanzielle Einzelprobleme lösen musste, war diese Verknüpfung meines eigentlich früheren beruflichen Schaffens mit der Arbeit der europäischen Linken natürlich eher so was wie "extensive Freizeitgestaltung". Immerhin gehört die kulturelle Integration zu den Feldern, die in der EU am meisten vernachlässigt sind (auch von der Linken). Gerade die Sparte, in denen die Menschen einander am nächsten sein könnten, der Song, das Lied, der Hit (der ja ständig in allen Radiostationen Europas zu hören ist), ist eben gegenwärtig nicht das Medium, das die Menschen zusammenbringt, sondern bestenfalls auf den dürftigen Minimalkonsens von Patchwork-English einschrumpft.
 
Um dem Abhilfe zu leisten, haben Pisapia und ich in unserem Gespräch einen Gedanken entwickelt, der so neuartig wie simpel ist: eine Stiftung zu gründen zur europäischen Kulturintegration. Dieser können nach einem initialen Aufruf des Mailänder Oberbürgermeister in der nächsten Zeit Kommunalpolitiker genauso beitreten wie Übersetzer, kultur- und Unterhaltungsunternehmer und Künstler aus dem Bereich des Songs, der Rockmusik, der Kleinkunst, der Liedermacherei, der Lyrik, des Kabaretts etc.
 
Hier geht es vor allen Dingen darum, dass ein präziser Übersetzer gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, die möglicherweise nicht so exakt übersetzen können, aber den künstlerischen Gedanken erfassen, mit und unter ständigem Autorisieren und Redigieren des Urhebers zur Transformation von Liedern, den darin enthaltenen Träumen, Sehnsüchten und Perspektiven arbeiten kann und damit eine Internetbrücke zwischen den verschiedenen Nationen und Kulturen geschaffen werden könnte. Im Internet sollen die Transformationsformen angeboten werden, einer autorisierten Gruppe von Mitautoren und Übersetzern dann zur Diskussion und Verfügung stehen und nach Endautorisation durch den Urheber dann zur öffentlichen Verwendung freistehen. Die Verwendung soll finanziell sowohl dem Urheber zugutekommen als auch der Stiftung und denen, die übersetzt haben, mit den internationalen üblichen Tantiemen.
 
Jeweils einmal im Jahr soll in Frankfurt, Berlin, Mailand oder anderswo ein Festival stattfinden, wo die Liedermacher sich dann gegenseitig ihre Lieder mit den entsprechenden Transformationsformen elektronischer oder auch gedruckter Art begegnen. Außerdem ist daran gedacht, dass es z. B. CDs gibt, bei denen Rockstars, aber auch weniger bekannte "cantautore", das heißt Liedermacher, also "Singer-Songwriter" ihre Werke selber in einer Version in verschiedenen europäischen Sprache selbstverständlich autorisiert sprechen können, sodass es den Song auf einer CD mit der aufgesprochenen Sprache des eigentlichen Sängers als auch ohne geben kann und mit entsprechenden Spezialsendungen im Radio angeregt wird, auch auf die Transformarbeit dieser Lyrik Wert zu legen.
 
Diesen Gedanken haben wir dann am vergangenen Dienstag, dem 23. August, noch einmal mit dem vormaligen internen Gegenkandidaten Pisapias, nämlich Boeri, dem heutigen Kultursenator, im Einzelnen durchgesprochen. Auch hier war die Begeisterung über diese Möglichkeit, die aus einer der großen Kulturhauptstädte Europas, nämlich Mailand, dann ihren ersten öffentlichen Anstoß bekommt, groß.
 
Beide, Pisapia und auch Boeri, werden dies am 14./15. Januar dann in einer öffentlichen Veranstaltung in der Volksbühne nach der Feierlichkeit zu Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht öffentlich darstellen. Ich freue mich heute schon tierisch darauf!
 
Es ist davon auszugehen, dass es an diesem Wochenende dann auch zu einem Zusammentreffen mit Vertretern der europäischen Linken und anderen demokratischen Kräften in Berlin kommen kann, wo dieses entscheidende Thema der europäischen Kulturintegration eine Rolle spielt.