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Kategorie: Positionen

Vorbemerkung zu einer Zensur im ND:

Diether Dehm war einer der 41 Ja-Stimmen bei der Fraktionssondersitzung am 27.2.15.
Am Mittwoch, den 11.3.15 erhielt Diether Dehm schriftlich vom ND (Christian Klemm) den Auftrag, in 4300 Zeichen sein Ja zu begründen. Der Beitrag habe Eile, weil er am Samstag erscheinen solle. Ulla Jelpke würde die drei Nein-Stimmen ebenfalls begründen. Zu Sahra Wagenknechts Position (eine von 10 Enthaltungen) sei im ND allerdings kein Beitrag vorgesehen.

Als am 13.3. der ND-Redakteur Diether mitteilte, der Beitrag müsse auf Montag verschoben werden, bat Diether sowohl um 700 Zeichen mehr, um zu begründen, warum er, der bislang als Europapolitischer Sprecher und Schatzmeister der EL immer für ein Nein zur Schäuble-Politik eingetreten sei, hier eine Ausnahme gemacht habe. Ausserdem bat Diether darum, auch für Sahras Position (Enthaltung) entsprechenden Raum im ND einzuräumen, weil diese ja auch andere Konsequenzen in der Öffentlichkeit gehabt habe. Diether mailte seinen Beitrag mit 5000 Zeichen an das ND (wie unten folgend).

Der Redakteur Klemm versprach, beides mit der Chefredaktion zu besprechen und in einer Stunde zurückzurufen. Dann meldete er sich mit einer Absage zu beidem. Auf Diethers Hinweis, er wolle dann seinen ungekürzten Beitrag auf seiner homepage parallel veröffentlichen, antwortete der ND-Redakteur, der Auftrag sei hiermit zurückgezogen. (Aus dem ND verlautete intern, Diethers Begriff "EU-Imperialismus" sei inakzeptabel.)

Diether hat seit Jahren im ND ein faktisches Schreibverbot. Anbei der Beitrag, den das ND schließlich abgelehnt hat.

 

Und von den Zuschauern erwarten wir/ daß sie wenigstens beschämt sind“, ist der Schluss von Brechts famoser Variation „Gegen die Objektiven“ aus Marxens 11. Feuerbachthese. Konkreter: wer den deutsch-imperialistischen Druck auf das griechische Volk nicht wenigstens um 1 Kilo erleichtert hat, sollte sich nicht schulmeisterlich über deren junge linke Regierung erheben, die dann in die Knie gehen muss.

 

Die Linke hat nicht einmal zum revanchistischen Stammtischgejohle der Bildzeitung gegen Tsipras‘ Reparationsforderungen wegen der Naziverwüstungen ein gegenöffentlich wirkmächtiges Kontrastprogramm aufgelegt. Nicht einmal den Lügen, die kleinunternehmerische ANEL, Regierungspartner von Syriza, sei „rechtsradikal“, hielten wir konsequent deren humane Migrationsbeschlüsse entgegen.

 

Oder anders: deutsch-linke Oberlehrer haben Sendepause, solange sie hierzulande nicht wenigstens 50.000 Menschen für die Armen und Arbeitenden Südeuropas auf die Straße kriegen. So hatten Wolfgang Gehrcke und ich uns nicht eben nur Freunde in unserer Parteispitze gemacht, als wir auf dem Dresdner Parteitag den Lafontaine dahingehend dekliniert hatten, dass die deutsche Linke selbst dann solidarisch sein möge, wenn ein Volk in Südeuropa für den Austritt aus dem Euro stimmen würde. Vor allem, solange wir gegen Schäuble nichts Echtes bewegt haben!

 

Selbst die Bourgeoisie, deren Neuwahlverständnis sich allzu meist mit Gesichterauswechseln begnügt, räumt neuen Regierungen eine Schonfrist von 100 Tagen ein. Wegen der Altlasten. Und ausgerechnet Linke, die mit Regierungs- auch Politikwechsel wollen, sollten diese Frist unterschreiten? Und ausgerechnet Linke sollten Linken im von Altparteien und Großspekulanten ausgepressten Griechenland diese Schonung, zumal wenige Tage nach der von uns allen bejubelten Syrizawahl, verweigern? Es war doch Alexis Tsipras, der uns (Europapolitiker, Gregor, Katja usw.) dramatisch darum gebeten hatte, diesem Antrag an die Eurogruppe am 27.2. zuzustimmen. Natürlich auch, um Destabilisierungskräften in Griechenland - nicht nur außerhalb der Linken! - entgegenzuwirken.

 

Ausgangspunkt für unser bisheriges "Nein" zu den „Finanzhilfen“ waren: Sozialabbau, Privatisierungen und Investitionseinbruch. Wobei mit der „Troika“ Bedienstete von EU-Kommission, EZB und IWF Weisungsbefugnis über gewählte Regierungen erhielten. Nach Wunsch von Schäuble sollte das so fortgesetzt werden. Aber die neue griechische Regierung ordnete sich nicht unter, stemmte sich gegen Verträge. Dass sie gerade mal ein paar hundert Stunden im Amt war, verringerte natürlich ihren Handlungsradius!

 

Die Bundestagsfraktion stimmte schließlich mit 41 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen. Nicht, wie in manch anderen Fällen, wegen kontroverser Auffassungen, sondern wegen unterschiedlicher Bewertung der jeweiligen Perspektive. Ich bekenne mich „schuldig“, dass es mir auch um Alexis Tsipras ging, den EL-Vizepräsidenten, mit dem ich als EL-Schatzmeister jahrelang freundschaftlich zusammenwirke: in gemeinsamer Wut auf die Herrensprache gegen Griechenland, auf einen von allen westlichen Geheimdiensten bewehrten Demagogieapparat, der bislang europaweit alles Linke zu spalten und niederzuwalzen vermochte. Es ging uns auch um die spanischen und portugiesischen Linken und ihre Wahltermine, um Podemos und all die, denen ein frühzeitiges Aus der griechischen Linksregierung nur Mut gekostet hätte.

 

Um das aber zu verdeutlichen, brachten wir mit Sahra und Dietmar einen Entschließungsantrag gegen die verfehlte Politik von Bundesregierung und EU-Kommission ein, weil die Schwierigkeiten Griechenlands nicht auf die neue Regierung gehen, sondern auf die griechischen Partnerparteien der Großen Koalition, die Steuerhinterziehung, Schmuggel und Korruption geduldet und gefördert hatten. Deshalb war den griechischen Genossinnen und Genossen möglichst viel Zeit zu verschaffen. Die weiter gestiegene Umfrage-Zustimmung der Griechinnen und Griechen zu der neuen Regierung stellt insofern einen Erfolg dar.

 

Natürlich hatte ich mich auch lange schon für Gregor Gysis Empfehlung eingesetzt, für unseren Fraktionsvorsitz im Herbst 15 eine Doppelspitze aus Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu wählen. Hätte Sahra in der Fraktion auch nur eine Andeutung kommuniziert, dass ihr fünf gestrichene Zeilen in diesem Entschließungsantrag für das Fortsetzen ihrer Kandidaturbemühungen derart wichtig sein würden, hätten viele in der hektischen Fraktionssitzung in die Abwägung auch dies einbezogen. Von 8.05h bis 8.50h mussten wir nicht nur über Syriza entscheiden, über den Antrag, sondern zusätzlich über einen am Vorabend von Axel Troost und Klaus Ernst eingebrachten Gegenantrag, der dann per Kompromiss aber zurückgezogen wurde. Ich bin mir aber sicher, dass in dem Maße, in dem Alexis Tsipras und die anderen Erfolg haben, sich auch die internen Differenzen in unserer Fraktion relativieren und neue Überlegungen zur zukünftigen Leitung der Fraktion angestellt werden können.