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Kategorie: Fragen zur linken Hegemoniearbeit

Lieber Harald,

Du schreibst, dass ich Deinen Text unbedingt lesen sollte und erinnerst dazu liebevoll zwar an unsere gemeinsamen Jahre bei den marxistischen Jusos (nebst "Herforder Thesen"). Schreibst dann aber, es sei eine Intrige, wenn ich spöttisch über Intrigen schreibe (oder über Riexingers Spiegelfechten gegen Sahras Sammlung).

 

Harald, mal ehrlich: hätten wir nicht auch kritisch schreiben dürfen, als "Ben Wisch" Wischnewski noch den Trotzkisten, Andrea Nahles später die radikale Juso und Olaf Scholz unter den Marxisten den 150prozentigen Radikalen bei den "Herforder Thesen" gegeben hatten (usw. usw.)?

 

Gab es bei den Jusos nicht schon damals diese der marxistischen Dialektik täuschend nachgebaute rhetorische Dialektik? Wie sie zum Beispiel die vielen trotzkistischen Sekten gepflegt haben? (Mit Jakob Moneta u.a. haben wir zwar großartige Trotzkisten gekannt, aber) einige dieser Sekten rückten den armen Trotzki via Revolutionsrethorik weit links von Bakunin: für die Zerschlagung des Staats und dessen Ersetzung durch Rätediktatur; für die Bewaffnung der Arbeiterklasse (besonders, wo Waffen nicht greifbar waren) und für die Zerschlagung von Kleinbürgertum und Mittelstand.

 

Ihre jungen Nachwuchskader entrierten die trotzkistische Aufstiegsgruppen in die Karriereumlaufbahn und statteten sie dazu (weil zwar Marx "Muss is", aber doch viel Zeit kostet) mit dem Notproviant von sechs bis sieben Marxzitaten aus. Fragten wir uns damals in der SPD nicht oft, wie man/frau derart unbelesen mit derart radikalistischem Wortschaum derart schnell Partei-Karriere machen konnte?

 

Dies war nicht unbeantwortbar: bei allem trotzkistischen "Zerschlagungs"radikalismus für die ferne Zukunft, standen sie tagespolitisch meistens da, wo die NATO stand. Nur halt mit linker Begründung. Gegen Allende erblickten sie vor 1973 die Erhebung revolutionärer Arbeitermassen; interpretierten gar wilde Streiks 1969 gegen Willy Brandts Friedenspolitik und gewerkschaftliche Mitbestimmung; sahen revolutionäre Erhebungen gegen Fidel Castro. Selbst in Kiew auf dem Maidan, wo andere 2014 haufenweise SS-Runen von Bandera-Faschisten sahen, entdeckten sie revolutionäre Volksmassen. Für ebenso "revolutionär" tauften sie die Volksmassen gegen Gaddafi (bei kleiner Unterstützung durch französische NATO-Bomber). Dann kamen revolutionäre Volksmassen gegen Assad, Maduro, Ortega, Putin und andere, wenn Hillary Clinton oder Donald Trump diese zuvor als Staatsschurken ausgerufen hatten. Und als US-Frackinggas-Investoren ihren propagandistischen Wirtschaftskrieg gegen das Russengas und Northstream2 eröffnet hatten, bliesen Trotzkisten auch dagegen in ihr rotlackiertes Hörnchen. Ja, und twittern da nicht bereits die ersten revolutionären Arbeiterräte aus den Staatskanzleien von Schwerin, Potsdam und Erfurt, um endlich die Fraktionsführung von Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch abzusetzen?

 

Sicher, Sprechen ist mehr als phonetisiertes Denken und es vollendet sich im Handeln. Aber dort, wo Wortgetöse nur roten Nebel hochbläst, um NATO-Handeln zu decken, sind doch zumindest Spötter gefragt.

 

Mit sozialistischem Gruß
dd